In Hietzing stehen 50 Gemeindebauten, und trotzdem stellt die ÖVP seit fast 50 Jahren den Bezirksvorsteher. Hier findet man sogar noch einen Parkplatz, eine Begegnungszone gibt’s jetzt aber auch.
Die Münichreiterstraße ist ein Politikum. Karl Münichreiter war ein im Zuge der Februarunruhen 1934 hingerichteter Schutzbündler.
Dass nach dem Krieg ausgerechnet eine stille Gasse im Hietzinger Villenviertel nach ihm benannt wurde, kann man als späte Rache des Roten Wien interpretieren. Es macht jedenfalls deutlich, dass Hietzing eben nicht nur Nobel-, sondern auch Arbeiterbezirk ist.
Rund 50 Gemeindebauten gibt es hier. Trotzdem stellt die ÖVP seit 1978 ununterbrochen den Bezirksvorsteher oder die Bezirksvorsteherin. Neben dem 1. und dem 19. ist der 13. einer von drei „schwarzen“ Bezirken; 2020 war er mit 44 Prozent Stimmenanteil sogar der schwärzeste. Die zweitplatzierte SPÖ hatte nur halb so viele Stimmen. Warum?
Als Treffpunkt für das Gespräch mit dem KURIER hat der rote Bezirksvorsteher-Stellvertreter Marcel Höckner passenderweise ein Café vis-à-vis der Klinik Hietzing (vormals Lainzer Krankenhaus) vorgeschlagen. Das Lokal befindet sich in einem der ältesten Gemeindebauten des Bezirks, dem Eduard-Popp-Hof, benannt nach dem vorletzten SPÖ-Bezirksvorsteher im 13.
Im Wahlkampf, sagt Höckner, treffe er immer wieder auf Bürgerinnen und Bürger, die gar nicht wissen, dass so etwas wie eine Bezirkspartei überhaupt existiert. „Viele sagen: Euch gibt’s auch? Manche glauben sogar, es gibt nur einen Vorsteher und sonst gar nichts.“
Dafür, dass seine Partei hier keinen Auftrag hat, könnte es aber auch eine ganz einfache Erklärung geben: Die Hietzinger leben gern in ihrem Bezirk und sehen daher keinen Grund, etwas zu verändern.
Auch anderswo heiße Themen wie Grünraum oder Parkplätze sind hier kaum relevant. Seit das Parkpickerl die Pendler fernhält, gibt’s fast überall mehr als genug Stellplätze, und der Grünland- und Gewässeranteil beträgt sagenhafte 82 Prozent. Der Lainzer Tiergarten und der Schönbrunner Schlosspark nehmen weit mehr als die Hälfte der Bezirksfläche ein, und auch sonst kann von Betonwüste nicht wirklich die Rede sein. Deshalb spielen auch die Grünen (15 %) hier keine große Rolle.
„Für mich ist Hietzing der schönste Bezirk von Wien!“, sagt Bezirksvorsteher Nikolaus Ebert (ÖVP), der zum Gespräch in die Bar des Parkhotels Schönbrunn geladen hat. Durch große Fensterflächen blickt man in die Alleen des Schlossparks.
Ebert machte Ende 2023 Schlagzeilen, als er sich zum Bezirksvorsteher „geputscht“ hatte. Nach dem überraschenden Rückzug der Vorgängerin hatte die Bezirks-ÖVP nämlich eigentlich die Bezirksobfrau, Johanna Sperker, zur Nachfolgerin designiert. Gewählt wird der Bezirksvorsteher aber von den Bezirksräten – und bei denen gelang es Ebert, eine Mehrheit zu gewinnen.
Der gebürtige Hietzinger Ebert ist sichtlich stolz, an der Spitze seines Bezirks zu stehen. „Letzten Sommer haben mir noch fünf Gassen und Wege gefehlt, sonst war ich schon überall!“ Er kennt hier aber nicht nur jeden Winkel, sondern auch viele Einwohner: „Ich kenne drei- bis viertausend Menschen bei Gesicht und Namen“, sagt er. „Ich treffe immer jemanden!“
Seine Bilanz? „Man kann immer noch was besser machen, aber an sich sind die meisten Hietzinger und Hietzingerinnen sehr zufrieden“, sagt er. Verbessern möchte Ebert das Sportangebot im Bezirk, das sei für die Jugend wichtig. In Speising ist schon ein neuer Volleyballplatz gebaut worden, im Hackinger Schlosspark eine Bocciabahn. „Das ist einer der schönsten Parks der Stadt!“, behauptet der Bezirksvorsteher. Das ist zwar maßlos übertrieben, aber was sagt man im Wahlkampf nicht alles.
In Bezirksteilen wie Lainz oder Ober St. Veit sind die ursprünglich dörflichen Strukturen noch gut zu erkennen. Hietzing ist einer dieser Bezirke, in denen die Leute sagen, dass sie „in die Stadt fahren“, wenn sie einen Innenbezirk besuchen.
Im Hackinger Schlosspark gibt es jetzt eine Bocciabahn
Die neue Altgasse
Immerhin: Seit Kurzem gibt es auch in Hietzing eine Begegnungszone – wobei man eher von einem Begegnungszönchen sprechen sollte. Die Altgasse, angeblich die älteste Gasse des Bezirks, war auch vorher nicht gerade eine Durchzugsstraße, aber die Verkehrsberuhigung hat sie sicher attraktiver gemacht; da, wo früher ein kleiner Kreisverkehr war, ist jetzt ein Platz mit Bäumen und einem Brunnen entstanden.
Jahrzehntelang sei das Projekt diskutiert worden, seufzt SPÖ-Mann Höckner. „Die ÖVP war immer dagegen.“ Irgendwann kam der Umschwung, und jetzt sind fast alle glücklich mit der neuen Altgasse, die am Donnerstag feierlich eröffnet wurde.
ÖVP 44 % SPÖ 22 % Grüne 15 % Neos 9 % FPÖ 1 %
„Ich bin begeistert“, sagt Michael Hölbl, der in der Altgasse eine Weinbar führt. „Man merkt schon, dass viel mehr Leute unterwegs sind.“ Ganz anders sieht das Robert Sponer-Triulzi, der keine hundert Meter weiter die Vinothek „1130 Wein“ betreibt. Dass es keine Parkplätze mehr gibt, sei für sein Geschäft eine Katastrophe; die Hietzinger gingen eben nicht mit dem Lastenrad einkaufen. „Das sind Leute mit großen Häusern und großen Autos.“ Und überhaupt: „Wozu braucht Hietzing eine Begegnungszone? Es gibt doch den Schönbrunner Schlosspark.“
Der 13. Bezirk galt in Zeiten der Monarchie als bevorzugter Wohnort der Adeligen und hohen Beamten. Der spätere Kaiser Franz Josef wurde 1830 im Schönbrunner Schloss geboren. Auch heute gilt Hietzing noch oft noch als „Nobelbezirk“ - in keinem anderen Bezirk sind so viele Wohnungen in Privatbesitz wie dort. Mit mehr als 2 Drittel (82 Prozent) Grünlandfläche übertrifft Hietzing alle anderen Bezirke Wiens. Dazu gehören etwa der Lainzer Tiergarten und der Schönbrunner Schlosspark. 55.505 Personen leben im 37.7 km² großen Bezirk. Bezirksvorsteher ist Nikolaus Ebert (ÖVP).
In Wien gibt es 1.800 Gemeindebauten, in denen ca. 500.000 Menschen wohnen. In den Höfen wachsen rund 68.000 Bäume. Die 7.900 Aufzüge, die es insgesamt in allen Häusern gibt, würden gestapelt zwei Mal die Höhe des Mount Everest ergeben. Die 1.300 Spielplätze entsprechen 3 Mal der Summe der Spielplätze von Bregenz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt, Linz, Eisenstadt und Graz. Und die 5.500 Wäschetrockner entsprechen hintereinander aufgestellt der Länge der Wiener Ringstraße.
ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.
SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot.
In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.
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