Wiens jüngster Gemeinderat: Der Politikstudent mit dem Politikergehalt
Ömer Öztas ist das schwarze Schaf seiner Familie. Denn er ist derjenige, der beim Essen Politik aufs Tapet bringt. „In meiner Familie ist höchstens Alltagspolitik ein Thema. Da wird vielleicht darüber geredet, was eine Corona-Verordnung genau heißt. Mehr aber nicht“, sagt er.
Nicht selten bekomme er von seinen Eltern und seinen Schwestern zu hören: „Ich verstehe nicht ganz, wie Politik läuft. Aber ich unterstütze dich.“
Unterstützung, die wird Öztas in nächster Zeit gut brauchen. Denn er gehört unter den Mandataren im Gemeinderat gleich drei Minderheiten an.
Er ist neu. Er hat Migrationshintergrund. Und er ist sehr jung: Öztas, Jahrgang 2000, ist der jüngste Mandatar im Stadtparlament. Allerdings nur knapp: Harald Zierfuß von der ÖVP ist nur knapp zwei Monate älter.
Dass Öztas jetzt Politiker ist, daran ist einer seiner Lehrer schuld – auch wenn er das wohl nicht beabsichtigte: „Er hat zu mir gesagt, dass ich es nie an die Uni schaffe, weil ich Türke bin.“
Diese Rassismuserfahrung und der Mangel an migrantischen Vorbildern in der heimischen Politik hätten ihn motiviert, sich zu engagieren.
Neuer Jugendsprecher
Die Bundespräsidentenwahl 2016 brachte Öztas zu den Grünen: „Für mich war klar, wen ich wähle.“
Nach der Matura arbeitete er für den Nationalratsabgeordneten David Stögmüller. Im Februar ergatterte er den 14. Platz auf der grünen Liste für die Wien-Wahl. Nun ist er Jugendsprecher.
Zwei Projekte hat er sich bereits überlegt: Er will ein wienweites Kinder- und Jugendparlament schaffen und die Jugendzentren bekannter machen. „Jugendliche brauchen einfach konsumfreie Räume“, sagt Öztas.
Diese wünsche er sich auch vermehrt im Freien – etwa in der Brigittenau, wo er aufwuchs: „Der Brigittaplatz ist die einzige Freifläche hier im Bezirk. Es braucht viel mehr Orte, wo man so wie im Museumsquartier einfach sitzen kann.“
Öztas Großvater väterlicherseits kam als Gastarbeiter nach Wien. Der Vater ist selbstständig, die Mutter Hausfrau. Für sie gibt Öztas auf Amtswegen immer wieder den Dolmetscher.
Zu Hause wohnt er mittlerweile nicht mehr: Vor Kurzem ist er nach Döbling übersiedelt.
Im Wahlkampf belächelt
Im Wahlkampf sei er wegen seines Alters oft belächelt worden, sagt Öztas. „Das ist beleidigend. Junge haben auch Anliegen. Ich will mich nicht von einem 60-Jährigen vertreten lassen.“
Öztas Lehrer hat übrigens nicht recht behalten: Wenn 2021 Öztas Zivildienst vorbei ist, will er sein Politik- und Geschichte-Studium wieder aufnehmen.
Mit rund 7.000 Euro Brutto-Monatslohn hat er wohl den best dotiertesten Nebenjob seines Jahrgangs.
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