Es ist fünf vor zwölf: Wiener Uhrmacher suchen Nachwuchs

Peter Maller
Den Wiener Uhrmachern fehlen die Nachfolger. Noch vor dem Sommer war die Situation drastisch, nach einem Rundruf gibt es für heuer aber zumindest acht Lehrlinge. Gelöst ist das Problem damit noch nicht.

Peter Maller möchte seine Pension „ein bisschen genießen“. So steht das zumindest auf seiner Ladentür, geschlossen ist die Uhrmacher-Werkstatt in der Währinger Straße 170 deshalb aber nicht. Vier Mal in der Woche kommt Maller nach wie vor hierher. Einen Nachfolger, der das übernehmen könnte, hat der Uhrmacher bisher noch nicht gefunden.

Peter Maller

Peter Maller will seine Pension genießen, zumindest steht das auf seiner Ladentür.

Junge Handwerker machen sich in der Branche rar. Erst Anfang des Sommers warnte die Wirtschaftskammer Wien (WKW) davor, dass die Berufsschule für Uhrmacher in Wien schließen könnte, sollten sich keine Bewerber finden. Ein Rundruf, der Interessenten anlocken sollte, wurde gestartet.

Acht Lehrlinge

Mit Erfolg, wie Johannes Barotanyi, Vertreter der Uhrmacher in der WKW jetzt im KURIER-Gespräch erzählt. Insgesamt acht Lehrlinge hätten im September mit der Berufsschule begonnen. Sechs davon verbringen ihre Lehrzeit bei „Jugend am Werk“, einem Verein der als Ausbildner fungiert. Die restlichen zwei werden von einem Meister ausgebildet.

Die Nachwuchsproblematik hat sich somit zwischenzeitlich etwas entspannt, gelöst ist sie noch nicht. Schuld daran sind gleich mehrere Faktoren: Erstens wird nur ein Teil der acht Lehrlinge die Ausbildung bis zum Schluss absolvieren. „Das reduziert sich meistens auf drei bis vier“, sagt Barotanyi. „Die brauchen wir aber dringend.“

Ausbildung für über 22-Jährige

Zweitens gebe es zu wenig Ausbildungsstätten bei Uhrmachermeistern. „Lehrlinge sind zeit- und kostenintensiv. Bis ein Lehrling einem Betrieb Geld bringt, vergehen zwei Jahre. Und danach baut er sich meist einen eigenen Betrieb auf“, sagt Barotanyi.

Peter Maller

Drittens – und letztens – falle eine gesamte Altersgruppe durch das Ausbildungsnetz. Das Programm „Jugend am Werk“ fördert nur junge Erwachsene bis zum Alter von 21 Jahren. „Es haben sich aber auch viele über 22-Jährige gemeldet“, sagt Barotanyi. „Oft Maturanten oder Studienabbrecher. Für sie gibt es derzeit keine Ausbildung.“ An einer möglichen Lösung werde in der Uhrmachervertretung aber gearbeitet.

Viele offene Türen

Der Beruf selbst biete zahlreiche Möglichkeiten, Jung-Uhrmachern stünde nahezu jede Tür offen, heißt es. Schließlich ist die Zahl der Betriebe in Wien rückläufig: Zwischen 2014 und 2024 schlossen laut WKW 18 Uhrmacher ihre Werkstätten, 61 gibt es derzeit noch.

 

Peter Maller

Davon stünden heute aber viele vor der Pension. Für Jung-Uhrmacher biete sich dadurch eine Chance, sagt Peter Maller. „In 20 Jahren hat man fast ein Alleinstellungsmerkmal.“ Und Aufträge gebe es auch jetzt schon genug: „Es ist so viel Arbeit da. Ich muss die Leute schon abblocken und bitten, in einem halben Jahr wiederzukommen.“

"Eine Uhr hat jeder"

Aber auch abseits der guten Verdienstmöglichkeiten habe der Beruf viele schöne Seiten. „Es ist einer der schwierigsten mechanischen Berufe“, sagt Maller. Für viele Uhren gebe es keine Ersatzteile mehr, es obliege dem Uhrmacher sie nachzubauen. „Ich kriege Uhren herein, bei denen ich mir denke: Genial, wie kann man so etwas bauen?“ Außerdem beschere einem die Uhrmacherei unvergessliche Momente. Einmal etwa sollte Maller eine Pendeluhr für die amerikanische Botschaft in Wien reparieren. Als er sich weigerte, die Tätigkeit in der Botschaft auszuführen, weil er dafür all seine Werkzeuge hätte mitschleppen müssen, habe man ihm einen Herrn zur Seite gestellt, der jeden einzelnen Handgriff beobachtete.

Peter Maller sucht einen Nachfolger für seine Werkstatt

Peter Maller sucht einen Nachfolger für seine Werkstatt

Ein anderes Mal im Urlaub auf einem Bauernhof habe Maller zwei alte Uhren der Familie repariert. Die Freude der Bäuerin sei so groß gewesen, erzählt er, dass sie für Kost und Logie kein Geld annehmen wollte. „Eine Uhr hat jeder“, sagt Maller. „Über einen Uhrmacher freut sich deshalb auch jeder.“ Das müsse man den Jungen nur nahebringen. Mit Sorgfalt, Geduld und mechanischem Verständnis könne man es dann weit bringen.

Möglicher Interessent

Einen möglichen Interessenten für Peter Mallers Werkstatt gibt es jedenfalls. Ob das klappt, wird sich zeigen, seine Hilfe würde Maller weiterhin zwei Mal in der Woche in der Werkstatt anbieten, wenn gewünscht. Spätestens ab dem nächsten Jahr, wenn er dann 70 Jahre alt ist, will er seine Pension aber doch noch ein bisschen mehr genießen, kündigt er an.

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