Wiener Terror-Prozess: Ex-IS-Kämpfer erzählt von Erlebnissen aus Syrien

Ein Soldat der libyschen Streitkräfte
Zwei der fünf Angeklagten hatten sich in Syrien der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen.

Am Wiener Landesgericht ist am Dienstag der Terror-Prozess gegen fünf Angeklagte - darunter zwei Foreign Terrorist Fighters, die sich in Syrien der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen hatten, und der bereits rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilte ehemalige "Hassprediger" Mirsad O. alias Ebu Tejma - fortgesetzt worden. Einer der Foreign Terrorist Fighters berichtete dem Schwurgericht von seinen Erlebnissen in Syrien.

Der aus der Steiermark stammende 32-Jährige war mit 17 zum Islam konvertiert, weil er sich in eine Muslima verliebt hatte. In weiterer Folge radikalisierte er sich, angespornt von den Predigten und Vorträgen von Mirsad O. Im September 2013 reiste er mit seiner Frau und dem gemeinsamen drei Monate alten Sohn an die türkisch-syrische Grenze. Während Frau und Kind in der Türkei blieben, setzte der Mann nach Syrien über, wo er bereits von IS-Kämpfern erwartet, in ein Haus gebracht und mit einer Kalaschnikow ausgestattet wurde.

"Habe nicht gewusst, was Krieg bedeutet" 

"Ich hab' damals nicht gewusst, was Kampfhandlungen bedeuten, was Krieg bedeutet", schilderte der Angeklagte. Seine ursprüngliche Bereitschaft, für den IS gegen das Assad-Regime zu kämpfen, schwand jedoch rasch, als seine Truppe von Kampfjets bombardiert wurde: "In dem Moment war ich überzeugt davon, dass ich sterbe. Von dem Tag an war für mich klar, dass ich so schnell wie möglich raus will."

Indem er vorgab, sich in der Türkei ein Auto besorgen zu wollen, kehrte der damals 25-Jährige zunächst zu Frau und Kind in die Türkei und im Dezember 2013 nach Österreich zurück. "Ich hab' einfach Angst um mein Leben gehabt", räumte der Angeklagte ein. In Österreich hielt er Kontakt zu anderen europäischen IS-Kameraden in Syrien und machte diesen vor, er wolle mehr Geld beschaffen, ein Studium aufnehmen und dann wieder nach Syrien gehen: "Mir war aber klar, dass ich nicht der bin, für den sie mich gehalten haben."

In weiterer Folge ging der Mann nach Saudi Arabien, um dort zu studieren. Dort habe er sich allmählich "von dieser Ideologie" gelöst. Die Zeit in Medina habe dazu beigetragen, dass ich heute "normal da sitze, mit einer normalen Einstellung".

Ehefrau begleitete ihren Mann

Der 32-Jährige betonte wiederholt, er habe mit radikalislamistischem Gedankengut abgeschlossen. Er vertrete inzwischen wieder die Ideen der westlichen Demokratien: "Ich war sechs Jahre in Saudi Arabien. Wenn du dort offen deine Meinung sagst, bist du weg vom Fenster." Dort sei ihm bewusst geworden, "wie wertvoll unser Land ist, wie schön Österreich ist". In religiöser Hinsicht sei er "so, wie ich früher war. Ich bin ohne Bekenntnis."

"Nicht schuldig" bekannte sich die Ehefrau des 32-jährigen, der der Staatsanwalt einen psychologischen Tatbeitrag ankreidete, indem sie in Kenntnis der Syrien-Pläne ihres Mannes diesen in die Türkei begleitet und sein Handeln mitgetragen hatte. Sie machte in ihrer Befragung deutlich, dass sie sich als Muslima ihrem strenggläubigen Mann nicht widersetzen konnte.

"Ende 2012 hat er gesagt, dass er da hin (nach Syrien, Anm.) möchte. Um dem Volk zu helfen. Ich wollte nicht, dass er geht. Es hat aber nichts gebracht. Ich wollte, das er bei uns bleibt. Ich musste mitgehen. Was hätte ich sonst machen sollen", erinnerte sich die nunmehr 30-Jährige, die im damaligen Zeitpunkt ihr erstes Kind erwartet hatte.

Damals sei sie "voll verschleiert" gewesen, habe "keine westliche Musik" gehört. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass er "dort kämpfen" werde, als er nach Syrien weiterzog und sie mit dem wenige Monate alten gemeinsamen Kind in der Türkei verblieb. Drei Monate später kam der Mann zurück, er habe ihr erzählt, er habe dort "ganz Schlimmes" erlebt.

Im weiteren Verlauf habe sie sich deradikalisiert und schließlich vom Glauben abgewandt. "Am Papier" sei sie noch Muslima, Religion spiele in ihrem leben aber keine Rolle mehr. Die 30-Jährige saß ohne Kopfbedeckung und mit offenem, langem Haar vor den Geschworenen, hinsichtlich ihrer Bekleidung unterschied sie sich nicht im Geringsten von den Laienrichterinnen.

Die Verhandlung wird morgen, Mittwoch, fortgesetzt. Dann wird der Hauptangeklagte Turpal I. vernommen. Der gebürtige Tschetschene soll Ende August 2013 über die Türkei nach Syrien gereist sein und unter dem Kampfnamen Abu Aische im Bürgerkrieg für den IS gegen das Assad-Regime gekämpft haben. In der nordsyrischen Stadt Hraytan soll Turpal I. die Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses sowie drei als Sklavinnen gefangen genommener Frauen angeordnet haben, in einer Kleinstadt nördlich von Aleppo soll er laut Anklage zumindest sieben Schiiten mit Messern die Köpfe abschneiden haben lassen. Er bestreitet das und behauptet, er sei nicht mit der Person Abu Aische ident.

Verpassen Sie keine Meldung mit diese mit dem Blaulicht-Newsletter des KURIER:

Kommentare