Wiener Pflegerin berichtet: 100 Überstunden und keine Pausen

Eine Pflegerin beschreibt im Video-Interview das Spitalswesen in Wien als "kaputtes" System.
Eine Pflegerin schildert ihren Alltag mit Ruhezeitverletzungen und Selbstanzeigen. Sie überlegt dem Beruf den Rücken zu kehren.

Zwölf Jahre lang hat Karin L. (Name von der Redaktion geändert) auf einer Kinderintensivstation gearbeitet. Im Herbst hätte sie nach der Karenz zurückkehren sollen, hat sich aber vorerst dagegen entschieden.

Es gehe nicht um den Job, sondern um die prekären Umstände, wie sie dem KURIER im Video-Interview (siehe Teaser) anonym erzählt. Zum Bericht eines Arztes auf einer Intensivstation geht es hier.

KURIER: Wenn es um Spitäler geht, werden oft Vergleiche mit der Zeit vor der Pandemie gezogen. War es vor Corona tatsächlich besser?

Karin L.: Ich kann mich an ein bis zwei Monate erinnern, in denen wir ausreichend Personal hatten. In der restlichen Zeit war schon beim Schreiben des Dienstplans klar, dass wir Zusatzdienste übernehmen.

Wie viele Überstunden fielen da durchschnittlich an?

Am Ende des Monats hatten manche über 100 Stunden stehen. Die wurden laufend mitgenommen, weil das Abbauen kaum möglich war. Es gab Phasen, in denen wir fast täglich angerufen wurden, um einzuspringen.

Wie behilft man sich bei zu wenig Personal?

Am Papier werden Betten gesperrt, aber wenn ein Kind dringend versorgt werden muss, bekommt es natürlich ein Bett. Es wurden mehrere Dienste hintereinander mit weniger Personal für mehr Patienten gemacht. Oft sind über viele Dienste hinweg gar keine Pausen möglich. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da haben wir nach Dienstende bewusst alle Selbstanzeigen geschrieben.

In welchem Zeitraum war das? 

Es waren so viele. Ich kann gar kein genaues Monat und Jahr nennen, weil es einige Male so gewesen ist.

Werden Ruhezeitverletzungen dokumentiert?

Wenn wir es in den elektronischen Dienstplan vermerkt haben, schlug das System Alarm, dass man an dem Tag oder in dieser Woche nicht mehr arbeiten dürfte. Überschreitungen mussten dann genau begründet werden.

Das heißt, wenn man es begründen kann, arbeitet man am nächsten Tag trotzdem normal weiter?

Genau.

Sehen Sie sich in den Beruf zurückkehren?

Meine Sehnsucht ist groß und ich hadere sehr. Gäbe es die personellen Schwierigkeiten nicht, wäre ich auch schon lange wieder im Spital. Es kommt so häufig vor, dass sich Kolleginnen nah der Karenz umorientieren, weil das System kaputt ist. Nicht, weil weil man die Arbeit nicht gerne tun würde. Ich habe mir dieses Jahr genommen, um darüber nachzudenken. Wenn es nur um die Arbeit ginge, würde ich auf jeden Fall zurückkommen.

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