Österreich wirbt um US-Forscher: Warum Wien dabei gute Karten hat

Forschende in den USA geraten zunehmend unter Druck – wegen Budgetkürzungen, Entlassungen und einer zunehmend wissenschaftsfeindlichen Stimmung.
Damit beginnt EU-weit das Buhlen um die besten Köpfe. Der aktuelle Umbruch sei „nicht nur eine Herausforderung, sondern eröffnet auch große Chancen für Österreich. Während in den USA Förderprogramme eingestellt werden, wollen wir Österreich gezielt als attraktiven Forschungsstandort positionieren“, sagte Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) vergangene Woche.
Besonders hellhörig dürfte man diesbezüglich in Wien sein – der Stellenwert der Wissenschaft ist historisch bedingt hoch, und gleichzeitig wurde in der jüngsten Vergangenheit weiter am Image gefeilt.
Erst im Herbst wurde bekannt, dass die Stadt den Zuschlag für ein Institut für Künstliche Intelligenz und Biomedizin namens Aithyra von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Boehringer-Ingelheim-Stiftung erhalten hat. „Wien ist innerhalb der Wissenschafts-Community schon bisher geschätzt worden, aber das richtet einen Scheinwerferkegel auf die Stadt“, hieß es damals aus der Wirtschaftsagentur Wien zum KURIER.
Kürzliche Investitionen
Die deutsche Boehringer-Ingelheim-Stiftung mit Sitz in Mainz fördert die Gründung und den Betrieb des KI-Instituts Aithyra mit 150 Millionen Euro für die kommenden zwölf Jahre; die größte private Forschungsförderung, die es in Österreich je gab. In die Veterinärmedizinischen Universität am Wilhelminenberg werden über 34 Millionen Euro investiert
Wirtschaftsfaktor
Wien ist einer der größten Life-Science-Standorte Europas. 600 Life-Science-Organisationen sind hier angesiedelt. Die wichtigsten Top-20-Pharma-Unternehmen, gereiht nach globalen Umsätzen, seien in Wien vertreten. Ein Viertel der Wiener Unternehmen will in den kommenden drei bis fünf Jahren mehr Universitätsabsolventen beschäftigen
Renommierte Kongresse
Vom 26. bis 28. Mai 2025 wird Wien zum globalen Treffpunkt für führende WissenschafterInnen, DenkerInnen und PolitikerInnen: Die erste Internationale Konferenz für Digitalen Humanismus findet in Wien statt
Domino-Effekt
Ein nicht zu vernachlässigender Faktor: Große Namen ziehen weitere große Namen an. Michael Bronstein ist Direktor von Aithyra. Er war Oxford-Professor, Gründer mehrerer Start-ups und gilt als Koryphäe im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Knapp zwei Monate später wurde verkündet, dass sein Zwillingsbruder Alex Bronstein, ebenfalls renommierter KI-Experte, Professor am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg wird.
Auch Biochemiker Georg Winter, ab heute biomedizinischer Institutsdirektor von Aithyra, ist kein Unbekannter. Maßgeschneiderte kleine Moleküle, die sich an Krebs verursachende Proteine heften und Tumorzellen dadurch unschädlich machen, sind sein Spezialgebiet, in dem er zu den weltweit führenden Experten zählt. Der Österreicher forschte bereits an der Harvard Medical School in den USA.
„Mit mehr als 50.000 Beschäftigten in Forschung und Wissenschaft setzen wir international Maßstäbe“, sagt Bürgermeister Michael Ludwig. Durch gezielte Förderungen – etwa die Erhöhung der Fachhochschulförderung auf 30 Millionen Euro – unterstreiche man das klare Bekenntnis zu Ausbildung und Innovation. „Besonders stolz bin ich auf das Forschungsprogramm ,Digitaler Humanismus‘ das IT-Expertinnen mit Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaftlerinnen vernetzt.“
Vorteil für Wirtschaft
Es geht nicht nur ums Image, auch die Wirtschaft hat großes Interesse am Zuzug von Wissenschaftern: „Wien ist die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum. Das ist eine unserer Stärken als Wirtschaftsstandort“, sagt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. „Auch deshalb siedeln sich jedes Jahr mehr als 200 Unternehmen aus dem Ausland in Wien an, und große Pharma-Unternehmen nehmen sehr viel Geld in die Hand, um ihre Standorte in Wien auszubauen – und um neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu schaffen.“
Verbesserungen angedacht
Die Neos wollen darum den „roten Teppich für internationale Spitzenforschung ausrollen“, wie Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling erklärt. Dafür haben sie einige Vorschläge: Eine Kampagne in den USA, die die Forschungsmöglichkeiten in Wien hervorheben soll. Zudem wolle man das Business Immigration Office (MA 35) zu einer zentralen Anlaufstelle für internationale Forschende ausbauen. Zusammen mit Bundesregierung soll ein „Fast-Track-Verfahren für Aufenthaltsbewilligungen“ geschaffen werden. Bis zur Arbeitserlaubnis soll es dann nicht länger als zwei Wochen dauern.
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Der SPÖ-Politiker Michael Ludwig (Jahrgang 1961) ist seit 2018 Wiener Bürgermeister. Aufgewachsen ist Ludwig in einem Gemeindebau in Floridsdorf. Der 21. Bezirk hat seine politische Laufbahn geprägt: Der studierte Historiker startete dort 1994 als Bezirksrat. Später war er Wohnbaustadtrat unter seinem Vorgänger Michael Häupl. Ludwig gilt als scharfer Kritiker des Rechtskurses der FPÖ, insbesondere deren Bundeschef Herbert Kickl. In seiner ersten Regierungszeit koalierte er mit den Wiener Neos.
Bettina Emmerling (Jahrgang 1980) ist Neos-Politikerin. Seit dem Wechsel von Christoph Wiederkehr im Jahr 2025 in die Bundesregierung ist Emmerling Vizebürgermeisterin der Stadt Wien sowie Stadträtin für Bildung, Jugend, Integration und Transparenz. Davor war die bisherige Neos-Klubchefin zehn Jahre lang Abgeordnete zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderats.
Die Wirtschaftskammer Wien ist die gesetzliche Standesvertretung der Unternehmer der gewerblichen Wirtschaft zur Wahrnehmung ihrer Interessen und zur Mitwirkung an der einschlägigen Gesetzgebung in Wien. Die Kammer gliedert sich in die sieben Sparten: Gewerbe und Handwerk, Industrie, Handel, Bank und Versicherung, Transport und Verkehr, Tourismus und Freizeitwirtschaft und Information und Consulting.
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