Häupl an Ludwig: "An deiner Stelle hätt' ich an Anfall kriegt"

Altbürgermeister Michael Häupl gab das Signal, sein Lager müsse Michael Ludwig unterstützen.
Wiens ehemaliger Bürgermeister hat anlässlich der Wien-Wahl 2025 über seinen Nachfolger eine Rede gehalten - dabei offenbarten sich Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten.

Es war ein gediegenes Ambiente, in das Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Mittwochabend geladen hatte: die Österreichische Nationalbibliothek. Ein Abend für die prominenten Unterstützer aus den eigenen Reihen. Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer war ebenso zugegen wie Vizekanzler Andreas Babler, Justizministerin Anna Sporrer und die dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures

Die Rede hielt ebenfalls ein altbekannter Sozialdemokrat: Ludwigs Vorgänger Michael Häupl. Und Häupl wäre nicht Häupl, wenn ihm nicht der eine oder andere nonchalante Sager über die Lippen käme. 

Der Ex-Bürgermeister strich die charakterlichen Unterschiede hervor, die sich insbesondere während der Corona-Pandemie gezeigt hätten. "Ich habe bewundert, mit welcher Geduld du teilweise verbrecherischen Unsinn pariert hast", sagte er  und bezog sich dabei vor allem auf Impfgegner, die "Fake News verbreitet hätten und dann den Posten als Gesundheitsminister angestrebt hätten. Da kommt man sich ja vor wie in den USA".  Er an Ludwigs Stelle hätte in den Gesprächen nicht ruhig bleiben können - oder wie Häupl es ausdrückt: "Ich hätt da an Anfall kriegt". 

Der aufgeheizten Stimmung hätte es aber gut getan, dass da jemand war, "der ruhig denkt, ruhig handelt, ruhig entscheidet".  Dieser Stil sei auch das, was die Menschen in dieser krisengebeutelten Zeit brauchen, ist Häupl überzeugt: "Es ist nicht unsere Aufgabe, Menschen Angst einzujagen, sondern sie ihnen zu nehmen."

"Unfreiwillig komisch, wenn Kickl über Zwerge spricht"

Ludwig selbst gab sich in seiner Rede im Anschluss gewohnt besonnen  - fiel allerdings einmal aus seiner Rolle. "Ich habe mir eigentlich vorgenommen, im Wahlkampf nichts Negatives über andere Parteien zu sagen. In dem einen Fall muss ich es aber doch tun". Der eine Fall bezog sich auf die FPÖ, "von der ich glaube, dass man sie zurecht als rechtsextrem einstuft."

Er habe Teile des Wahlkampfauftakts der Blauen in Floridsdorf verfolgt. "Ich finde es unfreiwillig komisch, wenn Herbert Kickl über Zwerge in anderen Parteien spricht", sagte Ludwig. Er erschaudere aber, wenn "jemand davon spricht, Politiker anderer Parteien einen Kopf kürzer machen zu wollen."

Den Kolleginnen und Kollegen im Bund gab er darum mit, auf Kompromisse zu setzen: "Wenn ihr mal unzufrieden seid, denkt immer an die Alternative. Seid froh, dass wir Teil der Regierung sind und es uns gelungen ist, eine blaue Beteiligung zu verhindern."

Kritik an Neos und Grünen

Häupl wiederum nahm sich auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um andere Parteien ging. "Wien ist ein Gesamtkunstwerk: Das wichtigste ist, dass man versteht, dass das eine nicht ohne das andere geht", das versuche er auch seinen grünen Freunden beizubringen. "Dass man Wohnungen braucht, liegt auf der Hand. Ich kenne aber auch keinen Wohnbau ohne Parkplatz. Sich die Möbel am Buckel zu schnallen, scheint mir nicht sinnvoll zu sein."

An die Neoliberalen, also die Neos, richtete er ebenfalls einen Appell: "Wenn ihr vorgebt, die Demokratie schütten zu wollen, müsst ihr Armut verhindern". Häupl, der unter anderem Präsident der Volkshilfe Wien ist, sprach sich darum für ökosoziale Marktwirtschaft statt Neoliberalismus aus. 

Überzogene Redezeit

Im Laufe des Abends wurden noch ein paar Gemeinsamkeiten augenscheinlich: das Eintreten für die Wissenschaft, dass beide gern lesen - und der Hang zu langen Reden. 

"Man hat mir gesagt, ich darf über alles reden nur nicht über 10 Minuten", erklärte Häupl. "Das ist mir nicht gelungen."

Unvorstellbar, dass ich in einer Reihe mit Gratz, Zilk und Häupl stehe. Ich spüre die Verantwortung. 

von Michael Ludwig

Bürgermeister

Ludwig konterte in seiner Antwortrede  - sie fiel auch länger als 10 Minuten aus  - mit einer Anekdote. Er habe einmal eine Podiumsdiskussion mit dem damaligen Bürgermeister Häupl und seinen Vorgängern Helmut Zilk und Leopold Gratz organisiert. Er sei so stolz gewesen "und dann habe ich auf der DVD gesehen, dass du schon die ganze Zeit auf die Uhr geschaut hast, weil ich schon wieder so lang red."

Ludwig ehrte zum Schluss noch die eben angesprochenen ehemaligen Bürgermeister  - "jeder für sich ein Original und alle zählen sie zu den besten Politikern der Zweiten Republik. Unvorstellbar, dass ich in dieser Reihe stehe, ich spüre die Verantwortung".  Und zu Häupl gewandt: "Ich stehe auf deinen Schultern." Zumindest symbolisch, denn "mittlerweile bin ich schon schwerer als du. Das war früher anders."

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

SPÖ steht für Sozialdemokratische Partei Österreichs. Gegründet wurde sie 1889 in Hainfeld (NÖ) als Sozialdemokratische Arbeiterpartei, ihre Wurzeln liegen in der Arbeiterbewegung. Die Parteifarbe ist Rot. 

In Österreich zählt die SPÖ zu den sogenannten linken Parteien; im Grundsatzprogramm von 1998 bekennt sie sich zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Säulen der Partei sind auch die Vertreter aus Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB). Seit 1945 stellt die Wiener SPÖ durchgehend den Bürgermeister – aktuell ist das Michael Ludwig.

Der SPÖ-Politiker Michael Ludwig (Jahrgang 1961) ist seit 2018 Wiener Bürgermeister. Aufgewachsen ist Ludwig in einem Gemeindebau in Floridsdorf. Der 21. Bezirk hat seine politische Laufbahn geprägt: Der studierte Historiker startete dort 1994 als Bezirksrat. Später war er Wohnbaustadtrat unter seinem Vorgänger Michael Häupl. Ludwig gilt als scharfer Kritiker des Rechtskurses der FPÖ, insbesondere deren Bundeschef Herbert Kickl. In seiner ersten Regierungszeit koalierte er mit den Wiener Neos.

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