Unternehmer in Wien klagen: Viele Arbeitslose – aber kaum Bewerber

The logo of AMS jobcentre is seen behind traffic signs in Vienna
Drei Wiener Unternehmer geben Einblick, wie schwierig es ist, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Dabei spiele auch die „Work-Life-Balance“ eine Rolle.

„Wenn ich Mitarbeiter suche“, erzählt Damla Örme, „kommt es mir mittlerweile vor, als würde ich mich bei ihnen bewerben – nicht umgekehrt.“ Sie betreibt ein Frühstückslokal im 7. Bezirk und erlebt, was so viele Unternehmer beklagen: Dass es schwierig ist, geeignetes Personal zu finden.

Die Arbeitslosenquote in Wien liegt bei 11,7 Prozent, 123.833 Personen sind als arbeitslos vorgemerkt. Und dennoch bleiben viele Stellen unbesetzt. Von einer „Schieflage“ spricht Wiens ÖVP-Chef Markus Figl. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, lud er zum Hintergrundgespräch mit drei Unternehmern.

Yigit und Damla Örme, Marwen Khannoussi, Markus Figl und Markus Frömmel (v. li.) beim Hintergrundgespräch.

Yigit und Damla Örme, Marwen Khannoussi, Markus Figl und Markus Frömmel (v. li.) beim Hintergrundgespräch.

Vergebliche Suche

Damla und Yigit Örme etwa suchten zwei Jahre lang nach einem Bäcker für ihr Frühstückslokal. „Egal, was ich den Bewerbern angeboten habe: Sie haben einen Weg gefunden, abzusagen“, erzählt Damla Örme. „Etwa weil ihnen unsere Produktionsstätte zu klein ist oder sie nicht schon um 6 Uhr beginnen wollen.“ Schließlich habe sie in der Türkei einen Bäcker gefunden, der als Schlüsselkraft nach Österreich kam.

Ähnliches erlebte Markus Frömmel, der eine Konditorei im 7. Bezirk betreibt. Viele Bewerber, die vom AMS vermittelt wurden, waren erst gar nicht erreichbar. „Manche haben zwar angefangen zu arbeiten, waren aber zuerst Montag und Freitag, dann wochenlang im Krankenstand“, erzählt er. „Da haben meine anderen Mitarbeiter gesagt, sie machen lieber Überstunden, als dass sie ständig einspringen, weil jemand ausfällt.“

Auch Marwen Khannoussi, dessen Unternehmen Getränke und Süßwaren produziert, trifft in seinem Lager in der Perfektastraße im 23. Bezirk immer wieder auf Arbeitsunwillige: „Man sieht ja, dass ich Migrationshintergrund habe. Manchmal kommen vier, fünf Leute am Tag, die sagen: ,Hey Bruder, das AMS macht mir Stress, kannst du mir einen Stempel geben?‘“

„Ein Alarmsignal“

Für ÖVP-Politiker Figl ein „Alarmsignal“: „Sozialhilfe kann eine wichtige Starthilfe sein – darin zu verharren, ist aber auch für die Betroffenen schlecht.“ Derzeit beziehen sieben Prozent der Wiener Mindestsicherung. „Das überfordert das System. Dafür muss man massiv in anderen Bereichen sparen, etwa bei der Gesundheit.“ Figl appelliert an die Stadtregierung, gegenzusteuern: „Leistung muss mehr zählen als Sozialleistung.“

Vor und nach Corona

Was im Gespräch mit den Unternehmern immer wieder fällt, ist das Wort Corona. War es davor anders? „Ja“, erwidern alle unisono. „Man merkt die Lücke bei den Jungen“, so Konditor Frömmel. „Sie haben etwa nicht gelernt, Bewerbungen zu schreiben oder aktiv Stellen zu suchen.“ Habe er vor Corona 40 bis 50 Interessenten für eine Lehrstelle gehabt, seien es nun zwei oder drei.

Café-Betreiberin Örme bemerkt, dass für viele Bewerber die Work-Life-Balance wichtig ist: „Sie wollen nicht zu früh und nicht zu spät arbeiten, wollen ein bisschen reisen, ein bisschen arbeiten, Spaß haben.“ Vor allem Bewerber zwischen 20 und 30 seien anspruchsvoll. Dies könnte auch mit den sozialen Medien zu tun haben: „Da sehen viele das Leben von Influencern, die scheinbar ohne Arbeit über die Runden kommen.“

Figl begrüßt, dass das Thema nun auch auf Bundesebene diskutiert werde. „Arbeit ist ja nicht nur Einkommen. Arbeit heißt auch Teilhabe an der Gesellschaft, Aufstiegschancen, Sinn und Struktur.“