So schwitzt Wien: Chronologie eines Hitzetages

So schwitzt Wien: Chronologie eines Hitzetages
Hitze ist durch die Meteorologie klar definiert. Menschen in einer Großstadt nehmen sie dennoch unterschiedlich wahr.
Von Uwe Mauch

33 Grad Celsius zeigt das Thermometer in ihrem Garten knapp nach 9 Uhr an. Dennoch bemühen Walter und Angelika Kindl mehrfach das Wort "kalt". Schuld daran ist der Reporter, der die beiden Großjedlersdorfer höflich bittet, für ein Foto kurz in ihren Pool zu tauchen.

Das Messgerät hat der Gartenbesitzer kurzfristig von der Wand seines gemütlichen Holzhauses genommen. 33 Grad schon in der Früh. Der Pool wird heute noch wertvolle Dienste leisten.

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10:19 Uhr: 27,7 Grad innen, 28,5 Grad außen unter der Jalousie. Regina Schweighofer prüft kurz das Thermometer in ihrer "Blumenecke" auf dem Floridsdorfer Schlingermarkt. Sie schwitzt, aber sie hadert nicht: "Es ist der Sommer, und der Sommer kann heiß sein."

Nachmittags, wenn "eh kein Mensch kommt", weil ihre Kundschaft lieber ins Bad als zum Blumenkauf geht, wird sie die Türe ihres Marktstandes schließen und die Klimaanlage anwerfen. Ein guter Plan, denn auf dem eckigen Marktplatz zwischen der Blumenhändlerin und der Hühnerfleischhauerin wird es richtig heiß werden.

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11:11 Uhr: In diesem Moment springt die digitale Anzeige auf dem Praterstern von 28 auf 29 Grad. Familie Schubert-Schulz aus Dresden nützt an ihrem letzten Urlaubstag in Wien das Wasserspiel am Bahnhofsvorplatz.

Auf der Suche nach einem späten Frühstück kommt die Abkühlung für die "SchuSchus" ("so nennen wir uns") gerade richtig. "Schuschu" junior ist fast so nass wie nach dem Schwimmen im Meer.

Am Nachmittag will man mit dem Auto zurück in Richtung Dresden fahren. Die Moldaubögen bei Český Krumlov sollten noch einmal für Kühlung sorgen.

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11:33 Uhr: Vor Mittag eifrig geschraubt wird in der Radwerkstatt „Huberista“ an der Erdbergstraße. Christian Huber und seiner Crew steht der Schweiß auf der Stirn.

„Unser Dilemma“, erklärt Christian Huber so: „Tagsüber müssen wir die Tür für unsere Gäste offenhalten, und am Abend müssen wir sie aufgrund der Räder in der Werkstatt zusperren.“ Damit würde man den Ratschlägen der Ärztekammer gegen den Hitzekollaps natürlich nicht unbedingt folgen: „Die Hitze sammelt sich in der Werkstatt  im Laufe der Tage.“

Die für diesen Sommer neu installierten Ventilatoren schaffen nur bedingt Abhilfe. Die thermische Sanierung würde mehr Abkühlung nach sich ziehen, und im Winter Heizkosten sparen. Der Chef-„Huberista“ und Mieter des Gassenlokals will sie Wiener Wohnen vorschlagen: „Ich würde mich auch an deren Finanzierung beteiligen.“

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12:12 Uhr: High Noon auf dem Schwarzenbergplatz. Kein Baum und kein Strauch bietet Schatten. Wer hier zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, hofft, dass die Ampeln nicht auf Rot schalten. Der Asfalt der Straßen und Gehsteige speichert die Hitze. Man spürt das bei jedem einzelnen Schritt.

All die brutzelnden Buren- und Bratwürste, die Frankfurter und Käsekrainer machen die Arbeit im Würstelstand „zum scharfen Rene“ nicht erträglicher. Robert, der Angestellte vom Rene, sagt: „Ich habe halt alle Fenster geöffnet. Ab und zu spüre ich ein Lüfterl.“ Bis 20 Uhr muss er heute noch durchhalten. Wenn es die Arbeit erlaubt, tritt er einmal kurz ins Freie. Das Problem: Mittags, wenn es richtig heiß wird, geht das Geschäft besonders gut.

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13:20 Uhr: Noch vierzig Minuten, dann hat er es heute geschafft. Auch Toni Usas, ein Botenfahrer in Wien, arbeitet ohne Klimaanlage. Sein Dienstfahrzeug wurde noch zu einer Zeit gebaut, da bot nur der Fahrtwind ein wenig Erleichterung. Seit 7.30 Uhr fährt Usas durch Wien.

Endlich sei der Verkehr in der Stadt aufgrund der Schulferien einigermaßen erträglich, und dann machen ihm die 28 Grad in seinem Wagen sichtlich zu schaffen.

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14:30 Uhr: Wahre Helden der Sommerarbeit sind auch die beiden Bauarbeiter in der Äußeren Mariahilfer Straße. Beide heißen Zvonko, beide stammen ursprünglich aus einem Dorf nahe der bosnischen Stadt Brčko.

In der Künette, in der sie beschäftigt sind, ist unten ein neues Wasserrohr zu sehen. Einen Thermometer haben sie nicht dabei. Aber rein gefühlt ist die äußere Mahü an ihrem Arbeitsplatz 60 Grad heiß. „Wir sind von der „Zuschütt-Partie“, erklärt Zvonko, der Jüngere. Der Ältere sagt nichts mehr. Ihm setzt die Arbeit deutlich zu. In der Pause trinkt er Flüssigkeit mit Hopfen, aus einer Dose.

Ihren Kindern werden die beiden Zvonkos einmal erzählen können: „Damit die Äußere Mahü klimafit wurde, haben wir hier geschwitzt.“

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15:44 Uhr: Willkommene Erholung für den Hitze-Berichterstatter bietet sein abschließender Besuch beim „Buchkontor“ im Nibelungenviertel, hinter der Stadthalle, auch im 15. Bezirk gelegen. Das Viertel mit seinen vielen Bäumen bietet deutlich mehr Schatten. Die Buchhandlung im Gemäuer eines massiven Gründerzeithauses ist noch einmal kühler.

Auch die beiden Buchhändlerinnen Lena Samek und Gerlinde Weinkum spüren die Hitze, abgeschwächt. Sie laden daher auch in den nächsten Tagen zum Verweilen und zum Schmökern ein.

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