S-Bahn unter dem Stephansplatz
Angesichts einer rapide wachsenden Bevölkerung im Großraum Wien diskutiert die Politik, wie sie die zusätzlichen Verkehrsströme bewältigen kann. Im KURIER-Interview schlägt jetzt Niederösterreichs Verkehrslandesrat Karl Wilfing den Bau einer neuen Schnellbahn-Achse vor – und das mitten durch Wien.
KURIER: In der Ostregion wächst die Bevölkerung rasant. Das bedeutet zusätzlichen Pendlerverkehr im Raum Wien. Die Stadt setzt bereits voll auf den Ausbau der Öffis. Wo setzt NÖ an?
Aber neue Autobahnen sind kein Zukunftsrezept.
Genau aus diesem Grund setzen wir jetzt ganz intensiv beim öffentlichen Verkehr an. Mein Vorbild ist der Großraum München. Dort hat man vor 40 Jahren voll auf die Schnellbahn gesetzt. Heute gibt es dort, was die Schnelligkeit und den Komfort anbelangt, keinen Unterschied zwischen S- oder U-Bahn. Daher ist für mich völlig klar, dass wir für die Ostregion einen neuen Masterplan für die Schnellbahn brauchen.
Neue Komfortzüge wurden bereits bestellt. Was verstehen Sie unter Masterplan?
Es braucht auch eine neue Infrastruktur. Denn auf der bestehenden S-Bahn-Stammstrecke, also der Nord-Süd-Verbindung bringen wir schon jetzt keine weiteren Züge mehr unter. Mehr als 20 pro Stunde gehen nicht.
Neue Infrastruktur – wie lautet Ihr Vorschlag?
Ich trete für den Bau einer neuen S-Bahn-Stammstrecke in West-Ost-Richtung durch Wien ein. Mein Vorschlag lautet, alles was über die Franz-Josefs-Bahn nach Wien kommt, in Heiligenstadt zu bündeln und über die neue S-Bahn nach Wien-Mitte zu führen. Das würde auch eine neue Führung von Ostbahn und S7 erlauben, was die alte Stammstrecke nachhaltig entlasten würde. Das garantiert eine zentrumsnahe Anbindung an das Wiener U-Bahn-Netz, denn die neue Strecke könnte beispielsweise unter dem Stephansplatz geführt werden.
Beim Ausbau der Öffis spricht man in Wien selten bis nie über die Schnellbahn. Werden Sie da überhaupt Partner finden?
Bei Terminen mit Renate Brauner und Maria Vassilakou habe ich auf die Notwendigkeit eines Schnellbahn-Ausbaus hingewiesen. Beide haben mir Unterstützung signalisiert, weil auch ihnen bewusst ist, dass überregional auf die S-Bahn gesetzt werden muss. Das ist das einzige Verkehrsmittel, das den erwartbaren, zusätzlichen Verkehr bewältigen kann.
Das klingt trotzdem stark nach Zukunftsmusik.
Ich habe 1998 die Weinviertel-Autobahn gefordert, wo nichts abgeklärt war. Heute, bald 20 Jahre danach, stehen wir vor der Fertigstellung. Der Bau einer neuen S-Bahn-Stammstrecke würde sich auch in diesem Zeitrahmen bewegen.
Eine neue Bahnstrecke durch Wien, das kann zum Teil nur unterirdisch funktionieren.
Ja, anders wird das nicht gehen. Meine Experten sagen, dass wir bei so einem Projekt von einem Investitionsvolumen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro reden. Natürlich ist das nicht von heute auf morgen realisierbar.
Ihre nächsten Schritte?
Den erste Termin dazu, führt mich zu Verkehrsministerin Bures, um ihr klarzumachen, dass wir den Schnellbahnausbau brauchen.
Bei der Umsetzung braucht es mehr Partner. Planen müsste so ein Projekt die ÖBB?
Klar folgen dann die Gespräch mit ÖBB-Generaldirektor Kern und den Vertretern Wiens. Wichtig ist, dass wir in nächster Zeit mit der Planung beginnen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nach der Fertigstellung des Schlüsselprojekts Neue Westbahn dieses neue S-Bahn-Projekt brauchen. Denn mit Ausnahme des Semmeringtunnels gibt es in der Ostregion bei der Bahn kein großes Zukunftsprojekt.
Seit 1984 kann man im Verkehrsverbund Ostregion (VOR) mit einem Ticket in drei Bundesländern fahren. Was bescheiden begann – damals umfasste der VOR die Wiener Linien, die Badner Bahn sowie Nahverkehrszüge der ÖBB – ist in 30 Jahren zu einem System aufeinander abgestimmter Verbindungen und einheitlicher Tarifzonen in Wien, NÖ und dem Burgenland gewachsen. Mit dem Angebot stieg auch die Nachfrage. Mehr als 900 Millionen Passagiere fuhren im Vorjahr mit Bahnen und Bussen des VOR; heuer soll es erstmals mehr als eine Milliarde Fahrgäste werden. Besonders gefragt sind Pendlerstrecken: 1828 Züge und 3241 Busse bringen täglich 172.000 Menschen zu ihren Arbeitsplätzen nach Wien.<
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