48,8 Prozent: Schüler können bei Schuleintritt nicht genug Deutsch

Auch globale Krisen spiegeln sich in heimischen Volksschulen wider
Nicht nur Erstklässler, sondern auch Vorschüler haben Sprachdefizite. Versagen ortet die Wiener ÖVP beim Bildungsstadtrat - und präsentierte einen eigenen Deutschförderplan.

"Das Bildungsversagen in Wien hat einen Namen - Christoph Wiederkehr", eröffnete Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer (ÖVP) einen Medientermin am Mittwoch.

Der Grund: Die ÖVP ortet Missstände in der Deutschförderung der Stadt. So habe sich die Anzahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler in der Amtszeit von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) nahezu von 10.000 auf rund 20.000 Kinder verdoppelt.

Bisher wurde vor allem Augenmerk auf die Erstklässler gelegt: 44,6 Prozent der Taferlklassler, die eine öffentliche Volksschule in Wien besuchen, hatten am Stichtag 1. Oktober einen "außerordentlichen Status", sprich sie konnten aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht ausreichend folgen.

Mindestens 2.437 außerordentliche Vorschüler

Wenig Beachtung fand bisher eine andere Gruppe Schulanfänger: Die Vorschülerinnen und Vorschüler. Von insgesamt 3.381 Vorschülern sei bei 2.437 gesichert, dass es sich um außerordentliche Schüler handle, wie eine Anfrage an das Büro Wiederkehr ergab, so Harald Zierfuß, Bildungssprecher der Wiener Volkspartei. Bei weiteren 408 sei der Status unklar, da die Kinder Mehrstufenklassen besuchen. Demnach haben mindestens 48,8 Prozent der Kinder bei Schuleintritt (Erstklässler und Vorschüler) einen außerordentlichen Status, bei den Vorschülern allein liegt der Anteil bei mindestens 72,1 Prozent. Aufgrund der Dunkelziffer in den Mehrstufenklassen könne der Anteil der außerordentlichen Schulanfänger aber noch höher liegen.

"Die Zahlen sind schlimmer als sie vom Bildungsstadtrat dargestellt wurden", sagte Mahrer. Wiederkehr verkaufe eine Vision und fordere laufend Mittel vom Bund, obwohl Kindergärten in die Landeskompetenz fallen, kritisierte er weiter. 

Zudem seien Vorhaben im rot-pinken Regierungsprogramm nicht umgesetzt worden: Von 500 geplanten Sprachförderkräften seien - Stand November - bisher nur 419 eingestellt worden, 317 davon als Vollzeitkräfte. 

Der schwarze Deutschförderplan

"Die oberste Priorität ist, dass Kinder zum Schuleintritt ausreichende Sprachkenntnisse haben", so Zierfuß. Der Deutschförderplan der Wiener Volkspartei sieht deshalb unter anderem eine Sprachstandsfeststellung aller dreijährigen Kinder in der Stadt, eine verpflichtende Sprachförderausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen sowie einen verpflichtenden Kindergartenbesuch für Kinder mit Deutschförderbedarf ab drei Jahren vor.

Insgesamt sieben Punkte umfasst der Deutschförderplan. Wie man einige Punkte, beispielsweise die Sprachstandsfeststellung oder die Erhöhung des Fachkraft-Kinds-Schlüssel finanzieren wolle, sei jedoch noch nicht finalisiert, sagte Zierfuß zum KURIER.

Sprachstandsfeststellung beim Kinderarzt

Ein Vorschlag, um ersteres durchzuführen, wären Routineuntersuchungen beim Kinderarzt nach skandinavischem Vorbild. Diese würden Kinder ohnehin absolvieren, etwaige Defizite könnten deshalb dort festgestellt werden. 

In einem Punkt ist man sich mit der pinken "Mission Deutsch", die vergangene Woche vom Bildungsstadtrat einberufen wurde, jedoch einig: Die Ausweitung der Anwesenheitspflicht im Kindergarten. "Allerdings nur bei Kindern, die Deutschförderbedarf aufweisen", erklärt Zierfuß im Gespräch mit KURIER.

Wahlversprechen

Einsparungspotenzial sieht Mahrer bei "überbordenden Sozialleistungen" und dem Förderwesen der Stadt, um im Zuge mehr Budget für Bildung ausgeben zu können.

In Hinblick auf die Wien-Wahl im April gibt der Wiener ÖVP-Chef ein Versprechen ab: "Wenn wir eine Regierungsverantwortung bekommen, dann werden wir dafür sorgen, dass in fünf Jahren in Wien jedes Kind bei Schuleintritt Deutsch spricht."

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