Die letzte öffentliche Hinrichtung in Wien: Ein Volksfest

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Ein Tischlergehilfe wird zum Mörder. Seine Hinrichtung lockt die Wienerinnen und Wiener in Massen.

An der heutigen Triester Straße, nahe der Spinnerin am Kreuz, wo sich der Verkehr Richtung Süden stadtauswärts wälzt, befand sich einst eine der Hinrichtungsstätten der Stadt Wien. Hier fand am 30. Mai 1868 die letzte öffentliche Hinrichtung Österreichs statt. Der zum Tode Verurteilte war der 23-jährige Georg Ratkay, ein in Ungarn geborener Tischlergehilfe. Er war bei dem Tischlerehepaar Henke in Wien als sogenannter Bettgeher untergekommen. Am 9. Januar 1868 erschlug er die Frau des Tischlers mit einem Hobel und raubte Wertgegenstände aus der Wohnung. Dank einer Personenbeschreibung und eines Dienstmädchens, das darin seinen Geliebten erkannte, wurde er nur wenige Tage später gefasst. Er legte ein Geständnis ab und wurde zum Tode verurteilt.

„Delinquenten-Würstel“

Der Morgen der Hinrichtung glich einem Volksfest, die letzte öffentliche Exekution war zu diesem Zeitpunkt bereits 16 Jahre her. Schon der Weg zur Richtstätte war gesäumt von Schaulustigen, viele hatten vor Ort übernachtet, um ja nichts zu verpassen. Die Neue Freie Presse berichtete am Tag nach der Hinrichtung von „einer riesigen Pöbelmenge, aus dem Abschaume der Bevölkerung bestehend“, aber, wie man dem Neuen Wiener Tagblatt vom selben Tag entnehmen kann, kamen durchaus auch „die schönen Leute“, im Fiaker und mit Opernguckern ausgerüstet. Vor Ort wurden, so heißt es weiter, „Delinquenten-Würstel“ und „Armesünder-Brezen“ angeboten.

Das Gedränge und der Tumult unter den Anwesenden sollen dabei sogar so groß gewesen sein, dass eine Zuschauertribüne unter der Last zusammenbrach und „ein halbes Hundert Neugieriger hinab purzelte“. Mit Georg Ratkay ging es am Galgen schnell zu Ende, „ein Ruck, ein Zucken und ein Menschenleben war vernichtet.“ Die Meute ließ sich aber auch nach der schnell vollzogenen Hinrichtung nur schwer vertreiben. „Trotz allen gütlichen Zuredens von Seiten der Offiziere wich niemand zurück, und so kam es, daß die Soldaten mit den Kolben dreinschlugen“, schrieb das Neue Wiener Tagblatt. Erst das Heranrücken der Kavallerie setzte dem Treiben ein Ende.

Unter dem Eindruck dieser vielfach als unwürdig empfundenen Geschehnisse, verfügte Kaiser Franz Josef, dass Hinrichtungen künftig nicht mehr öffentlich stattfinden dürften. Ab da wurden sie im Lichthof des Landesgerichts für Strafsachen in Wien vollstreckt.

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