Nazi gab Kindern Nachhilfe
Als Kriminalisten die Wohnung in Wien-Penzing durchsuchten, tauchten sie in eine Welt aus Hass, Lügen und Ideologie ein. Der Spruch „Trittst du als Deutscher hier ein, soll dein Gruß Heil Hitler sein“ hieß sie willkommen. An der Wand hing ein Bild von Adolf Hitler, ein Hakenkreuz zierte eine Kerze, und am Türstock war „Arbeit macht frei“ zu lesen. In den Regalen stapelte sich nationalsozialistische Propaganda-Literatur.
Es ist die Welt von Edmund E., laut Eigendefinition „Nationalsozialist“, Führungskader der verbotenen NDP, Pensionist. Ihn als geistig zurückgebliebenen Kellernazi abzustempeln, wäre falsch. Denn der 65-Jährige, der sich am Mittwoch wegen NS-Wiederbetätigung vor Geschworenen im Wiener Straflandesgericht verantworten musste, war hochaktiv. Laut Anklage gründete er zwischen 2000 und 2007 das rechte Netzwerk „Kreis“, vernetzte alte und junge Neonazis, belieferte letztere mit Propaganda-Schriften und köderte als Nachhilfelehrer Nachwuchs, den er ideologisch schulte.
Ermittlungen gegen den Bund freier Jugend, einer rechten Nachwuchsorganisation in Oberösterreich, führten Verfassungsschützer im Jahr 2007 zu E. Auf seinen Festplatten, die Ermittler konfiszierten, geht sein Wirken detailreich hervor.
E. leugnete – trotz der belastenden Fakten. Seine Beschwichtigungen klangen obskur bis hin zu dummdreist.
„Sind Sie ein Nationalsozialist?“, fragte Richter Christoph Bauer. „Genealogisch gesehen kann ich das nicht sein. Die Bewegung (Anm., die NSDAP) hat es von 1933 bis 1945 gegeben.“ Er sei „sozial“ und „patriotisch-national“. Deshalb habe er sich Nazigrößen als „bekennender Nationalsozialist“ angetragen.
„Berüchtigte Seminare“
In einem Brief berichtete er auch über seine „berüchtigten und demokratiefeindlichen Seminare“. Immer mehr „wahrheitssuchende“ Burschen und Mädchen würden daran teilnehmen, es gebe „Platzprobleme“. Eine Burschenschaft habe nun extra Stühle angeliefert. Welche Wahrheit er meine, wollte der Richter wissen. „Jeder, der sich in der Schule nicht auskennt, sucht eine Wahrheit“, lautete E.s Antwort. Freilich meinte er revisionistische Ansichten, die er in Schulbüchern vermisste. Er selbst sprach nur von „Nachhilfe“ für sozial benachteiligte Schüler und Studenten.
Den Kreis, den er in Briefen als „konspirativen“ Zirkel „revolutionärer Nationalsozialisten“ beschrieben hatte, degradierte er vor Gericht zu einem Zusammenschluss von Brieffreunden, die auch „Kochrezepte“ austauschten. Und die „Arbeitsessen“ mit dem führenden heimischen Neonazi Gottfried Küssel, über die er Gleichgesinnten stolz berichtete, hätte er nur so genannt, weil „danach alle bei mir für Ordnung sorgen mussten“. Briefe schloss er gerne mit „Sieg Heilchen“, was er als Spaß verstanden haben will. Und das einschlägige Lied, das er weiterverbreitete? „Ich dachte, das ist von der EAV.“
In einem Schreiben hielt er fest: „Wir gehen erst auf die Straße, wenn 5000 mitmarschieren.“ Daran arbeite er Tag und Nacht. Für Staatsanwältin Stefanie Schön ist E. „verdammt gefährlich“, „junge Menschen sind beeinflussbar“. Für die Geschworenen war E. schuldig: 30 Monate Haft, zehn unbedingt. Er selbst rief mit tiefer Stimme: „Berufung und Nichtigkeit.“
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