Massengräber von Gefallenen einer Schlacht wurden bisher im Römischen Reich nur äußerst selten entdeckt. Mit dem Fund aus Simmering gibt es für den Donauraum erstmals einen direkten archäologischen Beleg für Kriege, von denen wir sonst nur aus der antiken Literatur wissen.
Wann war erstmals klar, dass es sich hierbei um etwas einzigartiges handeln könnte?
Wir tappten lange im Dunkeln, aus welcher Zeit das Massengrab stammt. Erst als wir das Röntgenbild von der Dolchscheide in der Hand hielten, war klar: es ist römisch. Im Röntgenbild erkennt man ganz deutlich die unter dem Rost versteckten Verzierungen aus Einlegearbeit mit Silberdraht.
Wie muss man sich das Leben im ersten Jahrhundert im Großraum Wien vorstellen? Wer lebte hier und wie?
Seit etwa 89 n. Chr. gab es ein Hilfstruppenkastell, etwa im Bereich des heutigen Schottenklosters im 1. Bezirk, mit einem vicus, einem Lagerdorf, rundherum. Im Wiener Becken ist mit verschiedenen Gutshöfen und Siedlungen zu rechnen, beispielsweise im Liesingtal. Hier lebte ein Bevölkerungsgemisch aus lokalen Bewohnern mit zum Teil keltischen Wurzeln und Personengruppen aus verschiedenen Teilen des Römischen Reichs, die häufig im Gefolge der Truppen hierher gekommen sind.
Warum war dieses Gebiet für die Römer so interessant, dass sie hier Krieg führten?
Die Römer führten hier Krieg, weil es an der Donaugrenze immer wieder zu Einfällen von verschiedenen germanischen Stämmen gekommen ist. Pannonien war zwar seit 9 n. Chr. römische Provinz, aber die politischen Verhältnisse waren im ausgehenden ersten Jahrhundert äußerst instabil.
Wie könnte so eine Schlacht im ersten Jahrhundert abgelaufen sein? Was für Waffen wurden damals eingesetzt?
Wie Schlachten ablaufen, kann ganz unterschiedlich sein. In unserem Fall kennen wir nur die Reste von Bewaffnung: zwei Lanzenspitzen, bei denen noch unklar ist, ob sie germanisch oder römisch sind, und von der Ausrüstung römischer Soldaten: ein Dolch, eine Wangenklappe eines Helmes, Schuppen von einem Schuppenpanzer, Schuhnägel. An den Knochen erkennt man viele Arten von tödlichen Verletzungen durch stumpfe und scharfe Waffen, wie Schwerter, Dolche, Lanzen und Geschoßbolzen. Der nächste militärische Standort war dann erst Carnuntum bereits außerhalb des Wiener Großraums.
Was spricht dafür, dass dieses Massengrab für die Errichtung von Vindobona eine Rolle gespielt hat?
Die große Anzahl der Individuen in dem Grab und die Art ihrer Bestattung spricht für eine größere Schlacht. Diese Schlacht war möglicherweise ein Anlass für die Verstärkung der Militärpräsenz im Wiener Raum und die Errichtung des Legionslagers von Vindobona.
Solche Untersuchungen können Jahre dauern, was passiert nun weiter mit diesem Fund?
Wir stehen erst am Anfang der Untersuchungen. Es ist ein umfangreiches Forschungsprojekt geplant, in dem vor allem DNA- und Strontiumisotopenanalysen Hinweise auf die Herkunft der Bestatteten geben sollen. Es gibt noch keine konkreten Pläne zu einer Präsentation der Funde...
Sie sind erst relativ kurz die neue Leiterin der Stadtarchäologie. Was hoffen Sie noch über Wien herauszufinden in den nächsten Jahren? Kann dieser Fund überhaupt noch übertroffen werden?
Spannend wäre, wo das Hilfstruppenkastell genau lag, das zur Zeit des Massengrabes wahrscheinlich schon bestanden hat. Vermutlich im Bereich des heutigen Schottenklosters, wir hoffen auf die Künetten, die in der Gegend geplant sind. Vielleicht kommen darin konkrete Überreste zutage und wir können dadurch seine Lage genauer fassen. Seit langem unklar ist auch die Lage des Forums in der Zivilsiedlung entlang des heutigen Rennwegs. Anbieten würde sich der Bereich auf Höhe der heutigen Fasangasse, aber wer weiß, es gibt immer Überraschungen.
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