28 Mio. Euro weniger für Wiens Kindergärten: Was mit dem Geld stattdessen passierte

Kinder in Kindergarten
Sowohl bei den privaten als auch städtischen Kindergärten in Wien wurden Mittel umgeschichtet. Doch was wurde mit dem Geld stattdessen gemacht?

Als „erschreckend“ bezeichnete eine Wiener Direktorin vergangene Woche die Anzahl der Kinder mit außerordentlichen Status, die bei der Schulanmeldung angaben, eine Deutschförderung im Kindergarten erhalten zu haben. 85 Prozent der angehenden Taferlklassler und Taferlklasslerinnen an ihrer Schule würden nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um dem Unterricht problemlos folgen zu können.

Doch nicht nur mit der Deutschförderung wird in Wiens Kindergärten gekämpft: Platz- und Personalmangel beschäftigen ebenso. Erst Anfang des Jahres musste etwa der private Kindergartenbetreiber „Elternverein Perlenmeer“ alle seine Standorte in der Stadt schließen. Der Grund: hohe Schulden und die darauffolgende Entziehung der Betriebsbewilligung. Rund 200 Kinder und 60 Mitarbeiter waren betroffen.

Die Kindergärten stehen aktuell also vor diversen Herausforderungen – und das kostet Geld.

135 Millionen Euro Budgeterhöhung waren deshalb für das Jahr 2024 in Wien geplant. Beigesteuert wurden dabei 108 Millionen Euro vom Bund, 27 Millionen stellte die Stadt zur Verfügung. Die Gesamtausgaben für die Kindergärten beliefen sich 2023 auf über 1 Milliarde Euro.

Umschichtung im Jänner

Ursprünglich waren im Rechnungsjahr 2024 insgesamt rund 1,2 Milliarden für die Kindergärten veranschlagt. Ende Jänner wurde das Budget nachträglich für 2024 umgeschichtet. Das Ergebnis: Mehrere Millionen Euro wurden aus dem „Kindergartentopf“ umverteilt und für einen anderen Bereich genutzt. 20 Millionen Euro, die für private Organisationen und 8 Millionen Euro, die für städtische Einrichtungen vorgesehen waren, flossen laut einer Anfrage, die die ÖVP an die Stadt stellte, in andere Bereiche. 

Für die Kindergärten wurden somit in Summe 28 Millionen Euro weniger ausgegeben. Aber was passierte mit den Mitteln?

„Für die Verwaltung und Umschichtungen innerhalb des Budgets ist der Budgetkoordinator verantwortlich. Details sind uns nicht bekannt.“ Man habe die nicht ausgeschöpften Mittel auf Anfrage des Budgetkoordinators zur Verfügung gestellt, heißt es auf Nachfrage bei der MA 10 (Kindergärten).

Wo die 28 Millionen investiert wurden

Mehr Informationen liefert die ÖVP-Anfrage zur Umschichtung: Die Fluchtbewegung aus der Ukraine und aus anderen Ländern wird als Begründung genannt. Der Bedarf an Betreuungsplätzen für unbegleitete Kinder und Jugendliche sei weiterhin im Anstieg. Als weiterer Grund wird ein erhöhter Bedarf an Plätzen in der Vollen Betreuung, also Unterbringung und Betreuung eines Kindes außerhalb der Familie, genannt. Zuständig dafür ist die MA 11 (Kinder und Jugendliche).

Zusätzlich habe die Zahl der Kinder mit schweren psychischen Erkrankungen, etwa durch die Pandemie oder Kriegserfahrungen von Flüchtlingskindern, stark zugenommen, wie aus dem Dokument hervorgeht. Deshalb habe die Stadt besonders in den letzten Jahren sozialtherapeutische und sozialpsychiatrische Wohngemeinschaften stark ausbauen müssen. 

Ursprünglich seien die umgeschichteten Budgetmittel etwa für Energiekosten und die Förderung von Privaten Trägerorganisationen reserviert gewesen.

Wieso es zur Umschichtung kam

Die Stadt beschloss ursprünglich ein Doppelbudget für 2024 und 2025. Im Jänner wurde also nachjustiert: „Die nicht ausgeschöpften also nicht verwendeten Budgetmittel resultierten aus nicht verwendeten Budgetmitteln aufgrund der reduzierten Inflationsraten im Jahr 2024“, teilte die MA 10 mit.

Aufgrund der bei der Erstellung hohen Inflationsrate von rund 10 Prozent sei ein entsprechendes Budget bewilligt worden. Als die Inflation also geringer ausfiel als kalkuliert, blieben schlichtweg mehr Mittel übrig. 

Betroffen von der Umschichtung waren zudem nicht nur die Kindergärten der Stadt. Auch aus anderen Budgettöpfen wurden Mittel für die Anliegen der MA 11 geschöpft, beispielsweise bei den Energiebezügen vom Amt für Jugend und Familie.

Kritik der Opposition

Zuständig für die Agenden der Kindergärten Wiens war bis vor Kurzem der damalige Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Er forderte noch im Herbst mehr Mittel vom Bund, etwa für Sprachförderkräfte. 

Das stößt auf Unverständnis bei der Wiener Opposition: " Wiederkehr hat im letzten Jahr in den Kindergärten sogar eingespart. Ohne Zuschuss vom Bund wäre das Budget jetzt niedriger als im Vorjahr", sagt Wiener Bildungssprecher Harald Zierfuß (ÖVP).  Noch dazu würden Kindergärten in die Verantwortung der jeweiligen Bundesländer, also in Wiens Fall bis Februar in die von Wiederkehr, fallen, weshalb er die Forderungen des ehemaligen Stadtrats kritisiert.

Während auf fachliche Fragen eingegangen wurde, ließ das Büro Wiederkehr eine Nachfrage zur Kritik der ÖVP unkommentiert.

Klarheit: Die wichtigsten Begriffe

In Wien wird ein Doppelbudget beschlossen. Das bedeutet, dass das Budget immer für zwei Finanzjahre, beispielsweise 2024 und 2025, erstellt wird. Das Budgetvolumen umfasst insgesamt 40 Milliarden Euro für 2024 und 2025. 19,8 Milliarden entfallen dabei auf das Jahr 2024 und 20,2 Milliarden auf das Jahr 2025.

Christoph Wiederkehr(Jahrgang 1990) ist seit 2025 Bildungsminister von Österreich. Zuvor war er Wiener Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat - und auch Spitzenkandidat für die Neos bei der Wienwahl. Seine Agendenden übergab er nach dem Wechsel an Bettina Emmerling, ihr folgte als Klubchefin Selma Arapović nach. 2024 hat er ein Buch veröffentlicht, dass sich mit der Frage beschäftigt, wie es gelingen kann, dass Kinder wieder gerne zur Schule gehen.

Die Partei NEOS steht für das Neue Österreich. Gegründet wurde sie 2012, die Parteifarbe ist Pink. NEOS gilt als eher (links-)liberale Partei der Mitte, sie vertritt hauptsächlich ein modernes, urbanes, unabhängiges Bürgertum. Wichtige Themen der NEOS sind Bildung und Transparenz. In Wien schaffte die Partei nach der Wahl 2020 den Sprung in die Stadtregierung, NEOS-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr wechselte vor Kurzem allerdings als Bildungsminister in die Bundesregierung. Spitzenkandidatin am 27. April ist daher Selma Arapovic.

ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.

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