Als in Wien die Erde bebte: "Als wolte der jungste Tag kommen"

Feder- und Pinselzeichnung in Braun mit Weißhöhungen über Bleistift von Karl Ruß aus dem Zyklus "Bilder zur Geschichte von Wien", 1832.
Im Jahr 1590 erschütterte ein Erdbeben Wien und Niederösterreich, zeitgenössische Berichte beschreiben dramatische Szenen.

Am Morgen des 15. Septembers 1590 ahnte in und um Wien noch niemand, welche Schrecken der Tag noch bereithalten würde. Um 17 Uhr begann die Erde vom Epizentrum im Tullnerfeld aus zu beben. Wie die „Wahrhaftige doch erschröckliche newe Zeytung aus Wien“ berichtete, sah die Lage in der Stadt beim nächtlichen Hauptbeben wie folgt aus: „Etliche Heuser gar eingeworffen, etliche Personen erschlagen; und bey St. Steffans, St. Michaels, zu unser Frawen Kirchen und Thurn/vil Ziegel und grosser stuck von sich geworffen. […] bey mir hatt es die Schotten kirchen schier halb eingeworffen; und ist eben ein grosser Schrecken under dem Volck gewesen, und sich nit anders ansehen lassen, als wolte der jungste Tag kommen.“

Ein zeitgenössisches Flugblatt zeigt mehrere abgeknickte Wiener Kirchentürme, darunter die des Stephansdoms oder der Michaelerkirche. Mehrere Quellen berichten auch vom „Gasthaus zur goldenen Sonne“, das durch die schweren Erdstöße zerstört wurde. Wie in dem Flugblatt zu lesen ist, wurden dabei „neun Personen sampt zweyen Pferden erschlagen“, darunter „des Wirts Schwiger, eine Magd und zwey Kaufleut von Rosenheim.“ Der Hausknecht wiederum, der „allein in einem Thürmlein oder Ercker gelegen unnd mit ihm umbgefallen, ist unverruckt in seinem Bätt geblieben und ihme kein Leyd geschehen.“

„Das Erdreich auffgethan“

Heute schätzt man anhand der Zeitzeugenberichte, dass das Erdbeben eine Magnitude von 6 auf der Richterskala und eine Epizentralintensität von 9 Grad erreichte. Es soll bis ins ferne Siebenbürgen spürbar gewesen sein. Der „Schiefe Turm von Frankenstein“ in Ząbkowice Śląskie (Polen), zeugt noch heute von der Naturkatastrophe.

In Wien jedenfalls, so berichtet das Flugblatt aus dem Jahr 1590, gab es nicht mehr viele intakte Häuser. Die Sorge, dass noch weitere Gebäude einstürzen würden, war groß. Sogar die „fürnemdste Leut“ flohen „vor lauter Angst, es möge ihnen die Häuser einwerffen aus der Statt in die Gärten.“ Diese Sorge war durchaus berechtigt, denn in der nur wenig erdbebensicheren Stadt kam es noch zu mehreren Nachbeben.

Und besonders unerfreulich: „Es hat sich auch underhalb Wien das Erdreich auffgethan unnd ist daraus ein grosser Gestank gegangen, das niemand daselbst hat bleiben könden.“ Bis heute ist es das schwerste historisch belegte Erdbeben, das Wien und Niederösterreich jemals erschüttert hat. 

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