(Aus)gelöscht: Wiens vergessener Elektropionier Béla Egger
Elektropionier Béla Egger
Was heute keine Besonderheit mehr ist, war im 19. Jahrhundert eine Sensation: elektrisches Licht in Form von Glühlampen. Dass diese von Thomas Alva Edison perfektioniert wurde, war dem Wiener Franz David Eschner natürlich bewusst. Dass seine Familie dabei aber auch eine Rolle spielte, nicht.
Das änderte sich 2023 mit einem Anruf seiner Tante Victoria Voros aus Kanada. Die Klassik Stiftung Weimar wolle ein Buch ihrer Familie restituieren, erzählte die 76-Jährige am Telefon.
Und: Die Familie habe ein Ehrengrab am Döblinger Friedhof. Da wurde Eschner, selbst Historiker und Archäologe, hellhörig – und begann zu recherchieren.
Was folgte, war die Wiederentdeckung eines vergessenen österreichischen Pioniers der Elektrotechnik. Béla Eggers Leistung als jüdischer Unternehmer ist heute fast gänzlich aus den Geschichtsbüchern verschwunden.
Dabei illuminierte er einst nicht nur das Wiener Rathaus, sondern entwickelte einen der weltweit ersten Elektromotoren
Ein Platz in der Geschichte
„Irgendwie wurde das aus dem Gedächtnis gestrichen“, sagt Eschner am Telefon mit dem KURIER. Seit zwei Jahren setzt er sich dafür ein, dass seine Vorfahren ihren Platz in der Geschichte wiederfinden.
Er durchforstet Archive der Stadt Wien, der Technischen Universität oder historische Firmenunterlagen, durchsucht Datenbanken und verfasst Einträge in Online-Enzyklopädien. „Ich stehe aber erst am Anfang“, betont Eschner.
Elektropionier Béla Egger
Grundstein für Österreich gelegt
Béla Egger wurde 1836 in Budapest geboren und erlernte das Schlosser- und Mechanikergewerbe. Er arbeitete erst als Lehrling auf einer Schiffswerft der Donaudampfschiffsfahrts-Gesellschaft, später war er in Berlin bei Werner Siemens tätig.
Schließlich kam Egger im Jahr 1859 nach Wien, wo er die Firma „Mechanische Werkstätte und Telegrafenanstalt B. Egger“ gründete. Damit legte er den Grundstein für die österreichische Schwachstrom- und später Starkstromtechnik.
Ein "genialer Techniker"
Schon 1880 errichtete Egger die elektrische Praterbahn auf der Wiener Gewerbeausstellung – und lief damit Edison den Rang ab. Zudem installierte er die Beleuchtungsanlage der Hermesvilla sowie die Straßenbeleuchtung vom Lainzertor zur Hermesvilla.
1882 wurde Eggers Firma zur „Ersten österreichisch-ungarischen Fabrik für elektrische Beleuchtung und Kraftübertragung B. Egger & Co.“ Mit diesem Unternehmen sowie weiteren in Ungarn machte Egger – der als „genialer Techniker“ beschrieben wurde – die ersten Glühlampen und Akkumulatoren in der Monarchie massentauglich.
Vom Rathaus bis nach Schönbrunn
Er war es auch, der für die elektrische Beleuchtung der Lobmeyr-Luster im neuen Wiener Rathauses sorgte. „Er hat auch die Elektrizitätsversorgung von Schönbrunn errichtet“, berichtet Eschner von seinen Recherchen.
Zudem dürfte Egger gemeinsam mit dem Erfinder Siegfried Markus – Vorreiter bei der Automobil-Entwicklung – hierzulande die erste Bogenlampe gebaut haben.
Als sie diese erstmals im Hof der Werkstätte ausprobiert hätten, so erinnert sich sein Sohn Ernst, habe der Turmwächter von St. Stephan Feuer auf der Wieden gemeldet.
Tüfteleien mit Erfinder Graham Bell
Passend, dass auf Egger auch die erste Feueralarmeinrichtung für Wien sowie die ersten „brauchbaren Telephone“ zurückzuführen sein sollen.
„... ich erinnere mich persönlich an den Besuch des berühmten amerikanischen Erfinders Graham Bell ...“, berichtete Egger jun. später am 24. Juni 1935 bei einer Ansprache an den Verwaltungsrat der österreichischen Brown Boveri Werke.
Gemeinsam hätten sie Sprechversuche durchgeführt und Bell mit dem Vater einen Lizenzvertrag abgeschlossen.
Im Jahr 1893 übernahm Sohn Ernst mit 27 Jahren das Unternehmen. Auch seine zwei Brüder waren erfolgreiche Unternehmer, seine Schwester Elsa heiratete in die Aristokratenfamilie Klarwill.
Kontakte mit Tesla
Ernst hatte an der Technischen Hochschule Maschinenbau studiert und zuvor unter anderem bei Edison in den USA gearbeitet. Auch zu Nikola Tesla hatte Egger jun. gute Kontakte geknüpft. „Er war unter den hundert reichsten Österreichern“, berichtet Eschner.
Viele Neuerungen konnten die Eggers aus den USA importieren. Vater und Sohn waren später auch für die Errichtung der elektrischen Regionalbahn in Gmunden sowie des ersten Murkraftwerks verantwortlich .
Pioniere und Lehrer von Porsche
Zudem waren sie Pioniere im Bereich der Automobilindustrie. Ein gewisser Ferdinand Porsche begann seine Laufbahn als Lehrling in der Egger-Fabrik. Er war an der Entwicklung des ersten Elektroautos gemeinsam mit der Firma Lohner beteiligt.
Elsa (re.) mit Viktor Klarwill (2. v. li) mit Freunden 1901.
Das Egger-Lohner-Mobil mit vierpoligem Hauptstrommotor „System Egger“ mit drei PS aus dem Jahr 1898 steht heute im Technischen Museum. Eggers Unternehmen war dabei für den Antrieb und Lohner für die Karosserie zuständig.
Nach einem Streit verließ Porsche das Unternehmen. Später spezialisierte sich Egger auf die Herstellung der neuartigen Glühlampen mit Wolfram-Glühfaden.
Béla Egger starb 1910 in St. Christophen in Niederösterreich. Im selben Jahr, als die Schweizer Brown, Boveri & Cie. die Egger-Firma erwarb. Das hat Ernst aus wirtschaftlichen Gründen forciert.
Gefangen genommen und deportiert
Das Glück war der Familie jedoch nicht hold. Nach dem Anschluss an Deutschland wurde Ernst Egger trotz seiner hohen gesellschaftlichen Stellung aus seinen Positionen entfernt.
Die bedeutende Kunstsammlung sowie ihre Liegenschaften musste die Familie verkaufen. 1944 schließlich wurden Egger sowie seine Frau Franziska und die beiden Töchter gefangen genommen.
Familie Egger: Béla Egger wurde 1831 geboren. Mit seiner Frau Johanna bekam er sechs Kinder. Ernst Egger übernahm die Firma, Bruder Adolf Egger gründet 1907 die Fiat Werke AG in Wien. Elsa Egger heiratete in die Familie Klarwill ein.
Familie Klarwill: Isidor Ritter von Klarwill wurde 1842 geboren und bekam mit seiner Frau Henriette drei Söhne. Ernst war Jurist, Georg Industrieller. Viktor von Klarwill wurde Publizist. Er heiratete Elsa Egger und bekam einen Sohn. Seine Enkelin lebt in Vancouver. Ihren Töchtern wurde nun die Staatsbürger.
Fanny Egger starb in der Roßauer Kaserne an Misshandlungen, ihr Mann und ihre Töchter wurden in das KZ Theresienstadt und das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden. Lediglich eine Tochter Eggers überlebte.
Wiedersehen in Wien
Im Zuge der Recherchen zur Familiengeschichte kam es vergangenes Jahr zu einer Familienzusammenführung in Wien. Victoria Voros, die letzte Blutsverwandte, ihre Töchter und Eschner besuchten nicht nur das Technische Museum, sondern auch die einstigen Wohnstätten der Familie.
Noch heute erinnern in der Mommsengasse 25 in Wieden Insignien der Familie Egger an deren einstige Bedeutung. Das zu sehen sei sehr berührend gewesen, sagt Eschner.
Voros, ihre Töchter und Eschner im Technische Museum.
„Das waren Momente, da hat man wirklich Gänsehaut bekommen.“ Ihm sei bei den Recherchen wichtig gewesen, „dass der Name nicht verschwindet. Es gibt kein Straßenschild, nichts, was auf die Eggers hinweist“, so der Historiker.
Nächsten Herbst soll für die Familie nun ein Stein der Erinnerung gesetzt werden.
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