„Innerhalb von zehn Sekunden habe ich mein ganzes Leben vor mir gehabt“

Edita C.
Vor einer Woche wurde Edita C. in Wien von einem Mann mit einem Messer attackiert. Es soll ein Bettler gewesen sein. Jetzt spricht sie über den Vorfall.

KURIER: Sie wurden am 14. März auf offener Straße in Wien-Favoriten attackiert. Wie haben Sie das erlebt?

Edita C.: Ich war in der Keplergasse unterwegs zu meinem Bus. Beim Humboldtplatz ist dieser Mann auf mich zugegangen und hat mir einen weißen Zettel gezeigt. Darauf war ein Bild von einem Mädchen und die Aufschrift: „Bitte um zwei Euro für mein krankes Kind“.

Wollten Sie Geld geben? Ich hatte Mitleid, da ich eine kleine Tochter habe. Ich habe zur meiner Tasche gegriffen und mein Geldbörsel rausgeholt, habe aber leider kein Kleingeld gehabt. Dann wollte ich in meinen Jackentaschen nachschauen. Als ich meine Hände reingegeben habe, hat er zugestochen.

Warum hat er das getan? Vielleicht hat er gedacht, dass ich irgendwas rausnehme oder die Polizei rufe. Ich habe es überhaupt nicht erwartet. Ich weiß auch nicht, mit was er gestochen hat. Ich habe nur einen kurzen Stich gespürt. Dann lief er weg.

Was ging da in Ihnen vor? Innerhalb von zehn Sekunden habe ich mein ganzes Leben vor mir gehabt. Ich war wie gelähmt und konnte nicht einmal schreien. Der Gedanke an meine Tochter hat mir in diesem Moment Kraft gegeben. Aber ich habe nicht sofort realisiert, dass er zugestochen hat. Ich habe nur gespürt, dass mein Bauch total nass und ganz warm wurde.

Was passierte danach? Ich bin die Straße weitergegangen. Kein Mensch war da. Dort gibt es kein einziges Geschäft. Ich habe nur eine Frau getroffen und sie um Hilfe gebeten. Sie ist weitergegangen. Dann ist mir eingefallen, dass ein Wachzimmer der Polizei in dieser Straße ist. Da bin ich dann hin.

Können Sie sich noch an die Polizisten erinnern, die Ihnen geholfen haben? Da waren mehrere Polizisten. Aber ich kann mich nur an eine blonde Frau und an einen jungen Herrn erinnern. Sie haben mir sofort Erste Hilfe geleistet und sich um mich gekümmert. Ohne sie wäre ich nicht mehr da. Sobald es mir besser geht, werde ich mich bei ihnen bedanken.

Wie geht es Ihnen heute? Ich wurde noch am selben Tag notoperiert und mit 36 Stichen genäht. Ob ich bleibende Schäden davon tragen werde, ist noch nicht klar. Das Schlafen ist seitdem schwierig. Ich werde sehr oft wach, weil ich ständig spüre, wie er mir in den Bauch sticht.

Erinnern Sie sich an den Täter? Mir ist sein aknevernarbtes Gesicht und sein schlechtes Deutsch aufgefallen. Ich würde ihn erkennen.

Was hat sich für Sie seit diesem Vorfall geändert? Ich werde das nie vergessen, weil mich die riesige Narbe immer daran erinnern wird. Aber ich habe eingesehen, dass das Wichtigste ist, dass ich lebe. Donnerstag, der 14. März ist mein zweiter Geburtstag. Ich denke positiv. Ich hoffe, dass er so schnell wie möglich geschnappt wird, damit so was nicht noch jemanden passiert.

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