Wie Österreichs neue Mafia entsteht

Beim Begräbnis des „roten Heinzi“ auch die aktuellen Capos dabei.
Gruppierungen rüsten derzeit massiv auf / Polizei mahnt mehr Unterstützung der Justiz ein.

Das Begräbnis der einstigen Rotlichtgröße Heinz Bachheimer vor ziemlich genau einem Jahr war auch ein Aufmarsch der neuen Capos von Österreich. Ein Gruppenbild zeigt die neuen Bosse, während der Sarg des "roten Heinzi" begraben wird. Solche Szenen kennt man eher aus Sizilien oder diversen Mafiafilmen, doch auch hierzulande wird es nun ernst.

Wie Österreichs neue Mafia entsteht
"In der Vergangenheit wurde das Wort ,organisierte Kriminalität’ oft strapaziert. Aber was momentan entsteht, das sind strukturierte Gruppierungen", sagt Andreas Holzer, Leiter des Büros für Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt in Wien. Vor allem tschetschenische und afghanische Banden würden derzeit massiv aufrüsten. Erst vor drei Wochen wurden in Bosnien Panzerabwehrohre, TNT-Sprengstoff, Kalaschnikows und Pistolen sichergestellt. Diese waren nach Polizeierkenntnissen nicht, wie zunächst gedacht, für Terror-Angriffe, sondern für mafiöse Gruppierungen in Österreich, Deutschland und den Niederlanden bestimmt.

Die Banden sind nicht mehr nur auf eine Deliktsart spezialisiert, sondern in vielen verschiedenen Bereichen aktiv. "Das geht von Drogen- und Waffenhandel, bis hin zum Bestellbetrug", berichtet Holzer. Vor allem beim illegalen Glücksspiel findet derzeit ein Verdrängungskampf statt. Eingesessene Clans mit türkischen Wurzeln werden vor allem in Westösterreich massiv eingeschüchtert. Der Polizei liegen mehrere Videos von Auseinandersetzungen in solchen illegalen Spielhallen vor. Diese sind an sich perfekt geschützt, es wird alles versucht, die Ermittlungen zu vereiteln.

Die Mafiosi werden allerdings auch quasi angemietet und erledigen kriminelle Arbeiten für andere Interessenten. Ermittler sehen die Justiz mehr gefordert. So wird kritisiert, dass die Staatsanwälte mitunter lieber einzelne Delikte als das staatenübergreifende Netzwerk und dadurch die Hintermänner anklagen. Derartige Prozesse sind schwieriger zu führen, würden aber helfen, die kriminellen Strukturen nachhaltiger zu zerschlagen. "Da brauchen wir einen echten Schulterschluss mit der Justiz", meint Holzer.

Mafiaprozess in Wien

Vorbild könnte der derzeit laufende Mafiaprozess am Wiener Landesgericht sein. Dabei steht die tschetschenische mutmaßliche Mafia-Gruppierung "Struja" rund um den 38-jährigen Edo D. im Verdacht, eine halbe Million Euro Schutzgeld auf der "Balkanmeile" in Wien-Ottakring erpresst zu haben. Auf einen Zeugen wurde angeblich eine Kopfprämie von 150.000 Euro ausgesetzt, dieser kam mit Bewachung der "Cobra" und schusssicherer Weste zur Verhandlung.

Wie so eine Schutzgelderpressung abläuft, schildert ein ehemaliger Lokalbetreiber an einer bekannten Wiener Gastro-Meile dem KURIER: "Du bekommst eine Visitkarte überreicht. Darauf steht nur eine Telefonnummer und die Kontonummer. Danach wird ein Prozentsatz genannt, der überwiesen werden soll."

Die Mitglieder der Mafia-Banden werden in Österreich in den Communitys rekrutiert. Die Spitzen sind großteils Österreicher oder stammen vom Westbalkan, die Ebene darunter sind laut Polizeierkenntnissen vor allem Tschetschenen. Die meist im Nahkampf ausgebildeten Mitglieder tauchen dann mitunter in größerer Zahl auf und setzen Lokalbetreiber unter Druck. "Das kann massiv einschüchternd sein", sagt Holzer. Kommt es zu Gewalt, wird oft aus Angst nicht einmal die Polizei alarmiert.

Im Rahmen des von Innenminister Sobotka beauftragten Aktionsplans gab es erst im November ein Vernetzungstreffen der heimischen Polizei. Bei diesem deliktsübergreifenden Informationsaustausch konnten Hunderte Delikte einer mafiösen Gruppe zugeordnet werden.

Für die auch mit mehreren Gruppen (Charter) in Österreich vertretene Rockergruppierung "United Tribuns" wird es eng. Vergangene Woche gab es erstmals auch in Bosnien eine Razzia bei den beiden Anführern der "Bruderschaft". Diese waren vor Jahren in das Dorf Sanica geflüchtet, da ihnen in Deutschland ein Prozess wegen Menschenhandels droht. Doch die vermuteten Waffen wurden bei der Polizeiaktion nicht gefunden.

Neben zahlreichen Prozessen in Deutschland gegen die United Tribuns, wurden in den vergangenen Wochen auch in Kärnten erstmals vier mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung verhaftet. Sie sollen einen Geschäftsmann erpresst haben, Schutzgeld an sie statt an die "Hells Angels" zu zahlen.

Von einem Szene-Insider wird berichtet, dass die Tribunen außerdem hinter einem Sprengstoffanschlag auf ein Rotlichtlokal stecken sollen. Dabei dürfte es ebenfalls um Revierkämpfe mit den Höllenengeln gehen. Für die Tat soll ein Tschetschene für 5000 Euro beauftragt worden sein. Dieser arbeitet demnach mit einem weiteren Tschetschenen zusammen, der derzeit in einem Mafiaprozess in Wien vor Gericht steht (siehe Bericht oben).

Die Kärntner Polizei und die Staatsanwaltschaft widersprechen dem. Zwar waren wegen des Anschlags auf das Laufhaus kurzfristig zwei Tschetschenen in Haft, allerdings gab es keine stichhaltigen Beweise. Von einer Fehde im Rockermilieu sei jedenfalls nichts bekannt.

Fest steht, dass es in Kärnten künftig zu Auseinandersetzungen kommen könnte. Neben den Rivalitäten zwischen Tribuns und Hells Angels, soll dort auch im kommenden Jahr ein Charter der "Bandidos" eröffnet werden.

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