Spektakuläre Coups: Polizei-Videos zeigen, wie die "Rammbock-Bande" ausrutschte
Zwei Minuten. Länger braucht eine professionelle "Rammbockbande" nicht, um in eine Nobelboutique oder ein Juweliergeschäft einzudringen, dort die Vitrinen und Verkaufsflächen zu plündern und Zehntausende Euro Schaden zu verursachen.
Eine solche Gruppierung, im Fachjargon ist von Blitz-Einbruchsdiebstählen die Rede, spielte mit der Wiener Polizei ab Sommer 2022 mehr als zwei Jahre lang Katz und Maus. Am Ende gewann die Katze, und nachdem die Täter in der Vorwoche rechtskräftig verurteilt worden sind, luden die involvierten Kriminalisten am Freitag zu einem Mediengespräch. Dabei gewährten sie tiefe Einblicke in "außergewöhnlich herausfordernde Ermittlungen".
Die Zahlen sprechen für sich: Insgesamt 19 Straftaten werden der serbischen Tätergruppe seit Juni 2022 zur Last gelegt. Die Bande agierte international, hatte in dieser Phase allerdings definitiv einen Fokus auf die Bundeshauptstadt.
"Fühlten sich hier sicher"
"Die Täter waren in Österreich allesamt nicht amtsbekannt, wir hatten keine Fingerabdrücke oder DNA von ihnen in der Datenbank. Sie haben sich hier, zumindest am Anfang, sicher gefühlt", analysierte Andreas Tiroch, der für das Landeskriminalamt an vorderster Stelle ermittelte.
Sein Chef, Günter Steinwendtner, meinte, dass ihm in 30 Jahren als leitender Kriminalbeamter kaum ein vergleichbarer Fall untergekommen sei: "Bei sogenannten Rammbock-Einbrüchen verschaffen sich die Täter mit massiver Gewalt Zutritt zu Geschäftslokalen. Entweder mit einem Auto oder einem Vorschlaghammer zerstören sie die Zugangstür oder die Auslage. Dann räumen zwei bis drei Leute alles leer. In zwei Minuten ist alles in einem gestohlenen Auto und die Täter, die die Beute dann schnellstmöglich ins Ausland schaffen, dahin."
Keine Angst vor Alarmanlagen
Den stets vermummt auftretenden Kriminellen waren Kameras oder Alarmanlagen egal. Sie spekulierten darauf, dass sie über alle Berge sind, noch ehe die Polizei eintrifft. Die Polizeiarbeit in dem jüngst abgeschlossenen Fall gestaltete sich auch deshalb schwierig, weil die Rammbockbande es einerseits auf hochpreisige Kameras - einzelne Modelle kosteten um die 10.000 Euro - und andererseits auf Markenkleidung spezialisiert hatte.
"Dass wir es mit Serientätern zu tun haben, hat sich erst nach und nach herauskristallisiert. Anfangs haben wir nur einen gewissen Anstieg dieser nicht gerade alltäglichen Deliktform bemerkt. Da die Beute einmal Luxuskleidung und dann wieder Technik waren, haben wir es zunächst für möglich gehalten, dass unterschiedliche Banden unterwegs sind", erklärte Klaus Autischer, der seitens des Bundeskriminalamts mit dem Fall betraut war.
Tatsächlich gab es damals noch eine zweite Rammbockbande, die vor allem in Niederösterreich ihr Unwesen trieb. Es handelte sich bei dieser Gruppierung allerdings um Niederländer mit marokkanischen Wurzeln, die dahingehend anders operierten, dass sie die Fluchtfahrzeuge nicht einfach abstellten, sondern diese zusätzlich ausbrannten. Ansonsten dürfte die Vorgangsweise aber ähnlich gewesen sein. Überwachungsvideos, die die Wiener Kriminalisten sicherstellen konnten, zeigen den Modus Operandi.
Schaufensterpuppen wurden ausgezogen
Zuerst sieht man nur das Heck eines italienischen Autoherstellers, der auf einen flachen Gehsteig fährt. Es sieht aus, als wolle der Lenker wenden, doch dieser gibt plötzlich Gas und kracht in die etwas exponierte Glaseingangstür des Designergeschäfts Amicis in der Wiener City. Schon springen Männer aus dem Fahrzeug. Dieses ist im Inneren mit Kartons und Taschen präpariert, damit die Ware im Anschluss rasch umgeladen werden kann. Von dieser gibt es reichlich. Bis auf den letzten Zentimeter wird der Wagen vollgestopft. Sogar die Schaufensterpuppen werden ausgezogen.
Aufnahmen der "Rammbock-Bande"
All das dauert nicht einmal 120 Sekunden, dann gibt der Fluchtlenker wieder Gas. Diesmal vorwärts. Das fast perfekte Verbrechen - in den nächsten Wochen und Monaten sollten die Täter genau an dieser Stelle noch vier weitere Male zuschlagen. Laut Ermittlern keine zufällige Wahl. Wie man heute wisse, verbrachten die Bandenmitglieder als Vorbereitung Tage und Nächte in Bars in der Nähe und beobachteten genau, wann und wie oft Polizeistreifen vorbeikommen.
130.000-Euro-Beute aus Leica-Store gestohlen
Zum Verhängnis wurde den Kriminellen der Einbruch in einen Leica-Store in der Westbahnstraße in Wien-Neubau. Auch das Fotogeschäft hatten die Männer ausgespäht, ehe sie dort Fotoausrüstung um 130.000 Euro erbeuteten. Durch die stundenlange akribische Auswertung von Überwachungsmaterial konnten die Ermittler nun aber einige Täter identifizieren. Als dann Diebesgut auf einer serbischen Online-Plattform angeboten wurde, hatten die Beamten den entscheidenden Hinweis.
Dass eine Polizeiinspektion nur wenige Hundert Meter von dem Fotogeschäft entfernt liegt, zeigt, wie selbstbewusst die Täter zu dieser Zeit waren.
Der größte Coup
Die Bande wurden in Folge jedoch immer vorsichtiger. Sie reisten nur mehr getrennt ein, nutzen Öffis oder ließen sich schleppen. So gelang ihnen im Mai 2024 sogar noch der bis dahin größte - nachgewiesene - Coup. Ein Juwelier am Wallensteinplatz in der Brigittenau wurde nächtens ausgeräumt und um Ware im Wert von 150.000 Euro erleichtert.
Offenbar war bereits der nächste Streich in Planung, die Polizei hatte in enger Zusammenarbeit mit den serbischen Kollegen mittlerweile aber genug belastendes Material gesammelt. Am 28. Juni dieses Jahren erfolgte der Zugriff. Drei Täter wurden von der Cobra in Wien gestellt, der vierte von der steirischen Polizei an der slowenischen Grenze.
"Es geht verdammt schnell", fasst Ermittler Tiroch die Serie an Blitz-Einbruchsdiebstählen noch einmal zusammen. Harmlos seien die Täter keinesfalls gewesen - selbst wenn sie nicht bewaffnet waren. "Bei den Festnahmen gab es Gegenwehr, hätten wir sie auf frischer Tat gestellt, wäre es wohl zu einer gefährlichen Verfolgungsjagd gekommen", unterstreicht der Polizist die Skrupellosigkeit der Gruppierung.
Vorerst wurden die Männer aber aus dem Verkehr gezogen. Bei ihrer Verhandlung am Wiener Landesgericht für Strafsachen fassten die Bandenmitglieder zwischen 20 Monaten und 6,5 Jahren Haft aus. Nach zwei Komplizen wird noch gefahndet.
Die österreichischen Behörden betonten vor allem die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure. „Es war ein Paradebeispiel dafür, wie internationale Polizeiarbeit laufen soll“, so Petra Huber-Lintner, Leiterin des Büros für allgemeine Kriminalität im Bundeskriminalamt.
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