Wenn Senioren zur Spraydose greifen
Die Vielfalt von Graffiti und Street Art, die Spontanität der Künstler und das Frische daran: Ingrid kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Sie hat gerade mit zehn Personen eine Street Art Tour am Donaukanal mitgemacht. Das Besondere daran: Alle Teilnehmer sind über 60.
Sie alle machen bei dem dreitägigen Street Art Projekt Silverpiece mit. Die Tour war erst der erste Teil, um die Szene kennenzulernen. „Es war großartig. Die Spontanität hat mir am besten gefallen. Die sprühen da einfach etwas hin und es ergibt Sinn, das ist so erfrischend“, erzählt Ingrid Mahl.
"Feine Waffen gegen den Mainstream"
"Ich bin ja keine 16 mehr, das war komplettes Neuland für mich. Jetzt weiß ich den Unterschied zwischen Graffiti und Street Art", berichtet Mahl.
„Außerdem ist es eine Möglichkeit sich gegen die etabliert Gesellschaft zur Wehr zu setzen. Und das ist großartig. Quasi mit feinen Waffen gegen den Mainstream.“
Der Workshop wird vom Atelier Format60Plus in der Josefstadt veranstaltet, einem Raum in dem sich ältere Menschen künstlerisch ausleben können. Gefördert wird der Workshop von KÖR (Kunst im öffentlichen Raum).
Im zweiten Teil erlernen die Teilnehmer am Freitag verschiedene Graffiti-Techniken und entwickeln gemeinsam ein Konzept für ein Kunstwerk, sowie eigene Tags. Denn am Samstag können die Teilnehmer dann das Gelernte anwenden, wenn sie selbst zur Spraydose greifen. Am Vorgartenmarkt wird eine Wand gestaltet.
Frischeres Bild von älteren Menschen
Mit dem Workshop will man "gegen Meinungen zu altersgerechten Beschäftigungen protestieren", sagt Projektleiter, Markus Gebhardt. Und das Bild, dass die Gesellschaft von älteren Menschen hat, soll damit frischer werden. Einfach kein so verstaubtes, sondern ein angepasstes.
Ingrid findet genau das wichtig. "Es gibt nicht nur das Theater oder die Oper für uns ältere Menschen. Unserer Generation würde ohne solche Kurse nicht mit so jugendlichen Dingen in Berührung kommen“, sagt Ingrid.
Alles was im Atelier angeboten wird und "außerhalb der Regel" ist, macht die weit über 60-Jährige mit.
Berührungspunkte zwischen den Generationen
Mit dem Kurs will Gebhardt zudem "Berührungspunkte zwischen jüngeren und älteren Generationen schaffen". Die beiden Projektleiter sind selbst erst Anfang 30, der Tourguide ist Mitte 20 und auch beim Sprayen hofft man, dass man mit jüngeren Menschen ins Gespräch kommt.
Die dreitätige Auseinandersetzung mit dem Thema wird als Startschuss für weitere Projekte im öffentlichen Raum betrachtet. "Silverpiece entwickelt sich im Idealfall zu einer offenen Gruppe, die mit verschiedenen künstlerischen Mitteln an der Stadtgestaltung mitwirkt und damit ein neues Lebensgefühl versprüht", hofft Gebhardt.
Das offene Atelier bietet weitere Kurse und Projekte an. Kunstinteressierte aus allen Generationen haben dort die Möglichkeit, sich gegenseitig zu inspirieren, voneinander zu lernen und damit auf gestalterische Weise gemeinsam am Stadtgeschehen teilzunehmen.
Alle Infos über das Atelier gibt's hier.
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