Warum die Kirche Kirchen schließt: Eine Bilanz der Erzdiözese Wien

Caritas Kirchenschiff Wien Siebenbrunnenfeldgasse
In rund 1.000 Kirchen der Erzdiözese Wien finden regelmäßig Gottesdienste statt.

Die Kirche in der Siebenbrunnenfeldgasse in Margareten wird aktuell, wie berichtet, von der Caritas zu einem Nachbarschaftszentrum mit Leo-Essens- und Kleiderausgabe umgebaut. 

Sehr zur Freude der Erzdiözese Wien, wie Sprecher Michael Prüller bestätigt: „Hier ist die Gemeinde zu klein geworden, um die renovierungsbedürftige Kirche allein zu erhalten.“

In ersten Überlegungen habe sich gezeigt, dass die Kirche aufgrund rechtlicher Gegebenheiten nur schwer umwidmbar sei, „die in Zusammenarbeit mit unserer Caritas geborene Idee einer gemeinsamen Nutzung sei aus Sicht der Erzdiözese daher aus mehreren Gründen ein Glücksfall“, erläutert Prüller: „Die Kirche bleibt für Gottesdienste erhalten und dient gleichzeitig einem ganz wesentlichen kirchlichen Zweck: dem Einsatz für die und mit den Schwachen in unserer Gesellschaft.“ 

Pionierprojekt "aus dem Herzen der Kirche"

Beten, Feiern und Gutes tun gehöre hier untrennbar zusammen. „So ist das Ganze ein Pionierprojekt, das aus dem Herzen der Kirche kommt und auch ihre gesellschaftliche Bedeutung sichtbar macht“. Prüller kann sich vorstellen, dass das Modell Schule macht: „Wenn es sich bewährt, könnte es auch anderswo zum Vorbild bei der Nutzung kirchlicher Gebäude werden.“

Rund 1.000 Kirchen

In der Erzdiözese Wien (Stadt Wien und der östliche Teil Niederösterreichs) gibt es rund 1.000 Kirchen, in denen regelmäßig Gottesdienst gefeiert wird. Die Zahl habe sich nicht wesentlich verändert, „da wir in den vergangenen 15 Jahren nur zwölf Kirchen abgegeben haben“, hat Prüller nachgerechnet.

In der jüngeren Vergangenheit habe die Erzdiözese zunächst behelfsmäßig errichtete Notkirchen aufgegeben:

Die 1915 in einem Lazarett in der Hasenleitengasse errichtete „Russenkirche“, die 1961 abgebrannt ist.

St. Josef am Ulanenweg, eine Holzbarackenkirche, die dort von 1972 bis 2001 in Verwendung stand und dann aufgegeben wurde.

Die Kirche in der Siemensstraße, die 1964 geweiht wurde. In einer Stadtentwicklungsgegend als Interimskirche für eine damals stark steigende Anzahl an Katholiken gedacht, wurde sie von vornherein so konstruiert, dass man sie auch wieder abtragen kann. Das geschah aber nicht. Als sie durch permanente Kirchenneubauten überflüssig geworden war, wurde sie 2009 an die mazedonisch-orthodoxe Kirche abgegeben, die sie bis heute als Gemeindezentrum nützt.

Die Kirche aus Stahl

Die sogenannte Voestkirche, die ehemalige Filialkirche „Maria, Hilfe der Christen“ der Pfarre Stadlau wurde 1980 eingeweiht. Die mithilfe der Voest umgesetzte Stahlbauweise habe sich als nicht nachhaltig herausgestellt, resümiert Prüller. 2019 war die Kirche unbenützbar geworden und galt als unsanierbar, sie wurde verkauft und abgetragen.

In der Wagramer Straße wurde die dortige sogenannte Russenkirche (sie wurde im Ersten Weltkrieg von Kriegsgefangenen errichtet) in den 1990 Jahren nach dem Bau der UNO-City anderen Konfessionen zur Verfügung gestellt und wurde später zur ersten ordentlichen Gottesdienststätte der koptisch-orthodoxen Kirche.

Weiters wurden laut Erzdiözese Wien folgende „regulär“ errichtete Kirchengebäude ab- bzw. aufgegeben:

1974: Alte Lainzer Pfarrkirche an die syrisch-malankarisch-orthodoxe Kirche, weil direkt daneben die Konzilsgedächtniskirche als neuer Hauptort der Pfarre entstanden war.

2010: Kirche Martinstraße an die koptisch-orthodoxe Kirche

2014: Neulerchenfelder Kirche an die serbisch-orthodoxe Kirche und St. Anton in der Pouthongasse an die rumänisch-orthodoxe Kirche

2015: Maria vom Berge Karmel (gehörte dem Karmeliterorden, war aber als Pfarrkirche in Verwendung) an die syrisch-orthodoxe Kirche

2016: Maria vom Siege an die koptisch-orthodoxe Kirche

2022: Pfarrkirche am Schöpfwerk an die serbisch-orthodoxe Kirche

2022: Profanierung der Arsenalkirche (ehemalige Pfarr-, dann Filialkirche, in Privatbesitz), Zukunft ungewiss.

2023: Augustinerkirche in Korneuburg (NÖ): Verkauf an die Ventana Holding GmbH. Das war die Kirche des Augustinerklosters, das bis 1808 bestand und dann über Umwege in die öffentliche Hand übergeführt wurde, die die Kirche (nicht aber das Klostergebäude) 1964 an die Erzdiözese überführte. Als die Stadtgemeinde das Klosterareal nach einem Bieterverfahren an einen Immobilienentwickler verkaufte, habe die Erzdiözese die Kirche mitverkauft. Das Areal wird zu einer Wohn-, Arbeits- und Begegnungszone ausgebaut, wobei die Kirche unter Bedachtnahme auf den Denkmalschutz zu einem Kultur- und Veranstaltungsraum umfunktioniert wurde und wird.

2024: St. Michael in Mödling (NÖ) wurde an die rumänisch-orthodoxe Gemeinde übergeben.

Pallottikirche, Hietzing, Profanierung, Kirche

Die aktuellen Pläne mit den Kirchen

2025 wurde die Kirche Dreimal wunderbare Muttergottes im 10. Bezirk in Wien an eine Privatperson verkauft, die die Kirche als Atelier nutzen möchte.

In Niederösterreich wird die Kirche in Hirschwang (Bezirk Neunkirchen) gerade umgesetzt, laut Erzdiözese laufe derzeit die Angebotslegung.

Weitere Profanierungen sind derzeit nicht im Finale. In Mödling steht allerdings laut dem Sprecher der Erzdiözese Wien eine Veränderung des Areals von Herz Jesu an, bei der es dazu kommen kann, dass die Kirche aufgegeben wird und die Gottesdienstgemeinde wieder den Gottesdienstraum übernimmt, den sie bis 1970 benutzte.

Aber zurück nach Wien: Hier hätte am 14. Dezember die letzte Messe in der Pallottikirche in Hietzing stattfinden sollen. Diese wurde allerdings kurzfristig verschoben.

Entweihung verschoben

Die Entweihung hat nun nicht vor Weihnachten stattgefunden, sondern wurde auf 1. März verschoben. Die Verbundenheit der Menschen mit der Kirche habe sie berührt, heißt es vom Pallottinerorden. 

Eine Petition, die von über 1.000 Menschen unterschrieben wurde, habe dazu geführt, dass die Profanierung verschoben wurde, sagen die Pallottiner.

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