Volksanwälte rügen Wiener Gebietskasse

Volksanwälte rügen Wiener Gebietskasse
Die Wiener Gebietskrankenkasse hat Mitte vergangener Woche eine saftige Schelte von der Volksanwaltschaft ausgefasst.

Es geht um jene Summe, die die Krankenkasse Versicherten zahlen muss, wenn Leistungen von Wahl-Physiotherapeuten in Anspruch genommen werden. Grundsätzlich gilt für die Vergütung solcher Leistungen – im übrigen auch bei Wahlärzten – folgende Regel: Der Versicherte bezahlt den Therapeuten bar, die Rechnung wird danach bei der Kasse eingereicht. 80 Prozent des Tarifes, den die Kasse einem Vertragstherapeuten bezahlt, muss der Versicherte zurückbekommen.

Doch schon seit dem Jahr 2010 zahlt die Wiener Gebietskrankenkasse nicht jene Summe zurück, zu der sie gesetzlich verpflichtet wäre. Statt 38,91 Euro pro Therapiestunde gibt es nur 29,72 Euro.

Dass sich die Kasse zu ihren Gunsten verrechnet, hat der Wiener Josef Kotsis herausgefunden. Kotsis engagiert sich im Verein "Schlaganfallselbsthilfe Wien". Er begann aus Interesse, Abrechnungen nachzuprüfen, besorgte sich die dafür nötigen Unterlagen – und kam der Kasse so auf die Schliche. Ursache: Die Kasse zieht als Basis die Tarife aus dem Jahr 2008 heran, nicht die höheren, die seit 2010 gelten.

Veranlasst von Herrn Kotsis, folgten zwei Klagen. Die Wiener Gebietskrankenkasse verlor. Fazit: Sie musste nachzahlen. Gegen das Urteil berief sie nicht.

Missstand

Herr Kotsis befasste darüber hinaus die Volksanwaltschaft mit der Causa. Dort wurde das Vorgehen der Kasse beanstandet; Nachzahlungen an die Betroffenen wurden verlangt. Weil die Kasse die Forderungen der Volksanwaltschaft mit dem Argument, dies würde den Verwaltungsaufwand erhöhen, ablehnte, hat sie nun eine "Missstandsfeststellung" bekommen. Darin erklärt die Volksanwaltschaft die seit 2010 praktizierte zu niedrige Rückerstattung für rechtswidrig. In rechtsstaatlicher Hinsicht agiere die Kasse unverantwortlich, heißt es in dem Schreiben. Indirekt wird auch verlangt, dass die Kasse allen Betroffenen die Differenz nachzahlt. Tut sie das nicht, bleibt Betroffenen nur eine Möglichkeit: Sie müssten einen Bescheid über die Abrechnung verlangen, um dagegen beim Arbeits- und Sozialgericht zu klagen.

Die Wiener Gebietskrankenkasse hat acht Wochen Zeit, um auf das Schreiben der Volksanwälte zu reagieren. Es werde binnen der vorgegebenen Frist Stellung genommen, hieß es auf Anfrage.

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