K.-o.-Tropfen und Energiekrise: Clubs vor neuen Herausforderungen
Auf das fixe Büro müssen sie noch etwas warten, in die inhaltliche Arbeit sind Martina Brunner und Thomas Heher aber schon voll eingestiegen. Die beiden leiten als Co-Geschäftsführerin und -Geschäftsführer die nunmehr institutionalisierte Vienna Club Commission (VCC), die als zentrale Servicestelle der Stadt für die Stadt, für die Anrainer, vor allem aber für die Szene, also Clubbetreiber und Veranstalter, dienen soll.
An Herausforderungen mangelt es dabei nicht. Ging es in den vergangenen beiden Wintern, während der Pilotphase der Club Commission, vorrangig um Corona und dadurch bedingte Einschränkungen für die Nachtgastronomie, schlägt jetzt die Energiekrise voll durch.
Das Betreiben eines Clubs ist extrem energieaufwendig, besonders Lüftungs- und Tonanlagen schlucken viel Strom.
Infrastrukturförderung
Gleichzeitig können die Clubs die höheren Kosten nicht einfach an das Publikum weitergeben, ohne es zu vertreiben. „Hier geht es darum, sich auszutauschen, Netzwerke aufzubauen und Vorschläge zu erarbeiten, wie die Stadt strukturell helfen kann“, sagt Heher.
Denkbar wären ein ermäßigter Steuersatz wie bereits während Corona, aber auch eine Infrastrukturförderung. Letztere könnte Themen wie Schallschutz und die barrierefreie Gestaltung von Clubs umfassen.
Einbindung der Szene
Konkrete Vorschläge sollen und müssen aber – wie bei allen Themen, die die Club Commission behandelt – aus der Szene selbst kommen, betonen Brunner und Heher.
"Ich glaube, dass das vielen gefehlt hat: Diese eine Stelle, wo man die individuellen Sorgen und Ängste rund um die Club- und Veranstaltungsszene deponieren kann"
Um das zu gewährleisten, werden die Themen über Fokusgruppen abgearbeitet. Diese sollen sich, zusammengesetzt aus bis zu 15 Personen aus der Szene, alle drei Wochen treffen, dadurch deren Bedürfnisse in den Vordergrund stellen und Lösungen erarbeiten.
Einmal im Quartal werden die Ergebnisse der Fokusgruppen in einem großen Plenum, den „Fokusgruppensessions“, zusammengeführt. Diese sind für alle Zielgruppen (Politik, Magistrat etc.) sowie die Öffentlichkeit zugänglich und sollen so auch als zentrales Kommunikationselement der Club Commission dienen. (Die erste findet kommenden Montag um 16.30 Uhr im Flex statt, Anm.)
In diesen Sessions wird auch entschieden, wie es mit den einzelnen Schwerpunktthemen weitergehen soll.
Drogen-Aufklärung
Die zweite Fokusgruppe soll sich schwerpunktmäßig dem Thema „Safer party, safer nightlife“ („Sichere Party, sichereres Nachtleben, Anm.) widmen – mit einem besonderen Fokus auf das Thema Drogen. Einerseits im Kontext des freiwilligen (deshalb nicht minder riskanten) Konsums: „Hier wollen wir alle Beteiligten – Gäste, Securities, Barpersonal – für die Thematik sensibilisieren und Aufklärung betreiben, auch in Kooperation mit bestehenden Anlaufstellen“, sagt Brunner.
Martina Brunner, geboren 1994, legte neben mehreren Stationen im Club- und Veranstaltungsbereich den Fokus in ihrem Studium Publizistik- und Kommunikationswissenschaft auf international bestehende Organisationen im Club- und Veranstaltungskontext und deren Mehrwert für eine Stadt. 2017 gründete sie die Initiative N8BM - Nachtbürgermeister Wien, um eine Service- und Vermittlungsstelle für das Wiener Nachtleben ins Leben zu rufen. Ab 2020 war sie Teil des Pilotprojekts Vienna Club Commission.
Thomas Heher, geboren 1974, co-gründete vor 25 Jahren das Popkulturmagazin The Gap. 1998 rief er das Indie-Label P.A.M. RECORDS ins Leben. Als Veranstalter und Kurator von Konzerten, Lesungen und Film-Screenings, initiierte und gestaltete er 2015 das Electric Spring Festival. Nach der Gründung und Geschäftsleitung der Literaturzeitung Volltext, 2002, und dem Musikmagazin TBA, 2006, leitet er seit mehr als einem Jahrzehnt das einzige Showcase-Festival mit Konferenzprogramm in Österreich, das Waves Vienna.
Andererseits aber auch bei der ungleich gefährlicheren unfreiwilligen Verabreichung von Drogen. Denn: „Die Vorfälle mit K.-o.-Tropfen nehmen aktuell zu“, sagt Brunner. Sind sich Personal, aber auch Gäste der Gefahr bewusst und entsprechend aufmerksamer, etwa wenn es gilt, das eigene Getränk im Auge zu behalten, trägt das dazu bei, Clubs sicherer zu machen.
Wobei Vorfälle mit K.-o.-Tropfen auf kleinen Partys genauso gemeldet werden wie auf Konzerten oder in Großraumdiscos.
Hohe Auflagen
Der Schwerpunkt der dritten Fokusgruppe wird schließlich auf dem Thema „Clubkultur im öffentlichen Raum“ liegen. „Derzeit ist es für junge Kollektive relativ herausfordernd, im öffentlichen Raum zu veranstalten“, sagt Brunner. „Es ist bürokratisch, mit hohen Kosten und hohen Anforderungen an die Infrastruktur verbunden.“
In manchen deutschen Städten wurde es in den vergangenen Jahren erleichtert, im öffentlichen Raum, etwa in Parks, zu veranstalten – ähnliches wäre im Rahmen eines Pilotprojekts auch für Wien denkbar. Konkrete Vorschläge müssen wieder die direkt Betroffenen erarbeiten.
Den grundsätzlichen Wert der Clubkultur hat die Stadt mit der Einrichtung der Club Commission bereits anerkannt. Die Finanzierung ist gesichert, die Struktur steht.
Jetzt muss die Szene liefern. Und die Stadt zuhören.
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