Wiener Problemhaus: Wohnen zwischen Schutt und Ratten
Zwischen Steinen und Bauschutt fanden Beamte der Landespolizeidirektion im Zuge einer Kontrolle am Dienstag ein abgängiges Mädchen in einem Haus in Döbling.
Umgehend wurde die Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) alarmiert. "Es handelt sich um eine 17-Jährige, die in einer Wohngemeinschaft in Liesing lebt", sagt Ingrid Pöschmann, Sprecherin der MA 11 zum KURIER.
Es sei nicht das erste Mal, dass die Jugendliche "unterwegs" gewesen sei. "Sie ist oft bei ihren Freunden oder übernachtet bei ihrem Freund. In der Regel kommt sie aber selbstständig zurück", so Pöschmann.
Das Mädchen stamme aus schwierigen Familienverhältnissen. "Abgängigkeit ist ihr Thema", betont die Sprecherin. Man sei überzeugt, dass die 17-Jährige bald wieder unterwegs sein würde.
Warum sie sich in dem Problemhaus in Döbling aufgehalten habe, wisse man nicht. "Vielleicht hat sie dort jemanden besucht. Wir wissen aber nicht, ob sie dort auch geschlafen hat", so Pöschmann.
Was jedoch im Zuge der Kontrolle am Dienstag augenscheinlich wurde, ist, dass es sich bei dem Haus in Döbling um einen Bau mit massiven Mängeln handelt.
An der Aktion waren neben der Gruppe Sofortmaßnahmen auch der Erhebungs- und Vollstreckungsdienst (MA 6), das Hygienezentrum (MA 15), die Baupolizei (MA 37), die Wiener Netze sowie die Polizei beteiligt.
Auch der KURIER war Donnerstagfrüh auf Lokalaugenschein im betroffenen Gebäude in der Heiligenstädter Straße.
Zwei junge Männer öffnen die Türe. Einer der beiden spricht Deutsch, der zweite nutzt sein Handy, um zu übersetzen. Wie die Zustände im Haus seien? "Sehr schlecht", erwidern beide.
Seit längerer Zeit kein Gas
Seit einem halben Jahr wohne er hier, erzählt der Mann, der gut Deutsch spricht. Er ist um die 30, ein Kurde aus Syrien, seinen Namen möchte er nicht nennen. Er führt aber durch das Haus, um die Mängel zu zeigen, die an jeder Ecke augenscheinlich sind. Längere Zeit sei das Gas schon abgedreht, erzählt der Mann. Seit der Kontrolle sei auch der Strom abgedreht worden.
"Wir haben keinen Mietvertrag", erzählt der Mann, während er durch das Haus führt. Mehr als 600 Euro zahle er pro Monat für rund 40 Quadratmeter - bar, nicht per Überweisung. Da er keinen Mietvertrag habe, wisse er nicht, wie lange er bleiben könne.
Manche der Wohnungen stehen leer, darin stapelt sich der Schutt. Die Tür einer dieser leeren Wohnungen hängt nicht mehr in den Angeln und ist nur angelehnt. "Schauen Sie sich das an", sagt der Syrer, hebt die Tür an und lässt kurz ins Innere der zugemüllten Wohnung blicken.
"Hausverwaltung kümmert sich um gar nichts"
Im zweiten Stock öffnet ein Herr im karierten Hemd die Tür. "Ich wohne seit 1988 hier. Ich bin der einzige, der schon so lange hier lebt", erzählt er. Seinen Namen möchte er auch nicht nennen, aber er erzählt, dass er aus der Türkei stammt und früher als Zeitungsausträger gearbeitet hat. "Ich bin schon eine Art Hausmeister hier", sagt er. "Ich mache am Gang oft sauber. Die Hausverwaltung kümmert sich um gar nichts."
Ratten leben in den Gängen
Vor allem Ratten gebe es viele im Haus, erzählen die beiden Männer. Und im Innenhof lagere oft viel Müll, den niemand wegräume.
Im kleinen Hof stehen ein paar Mülltonnen, Zettel machen darauf aufmerksam, dass man den Müll ordungsgemäß entsorgen solle. "Heute sieht es hier sogar gut aus, nicht so unordentlich, wie sonst", sagt der Syrer.
Ein junger Mann, der aus einem der oberen Fenster schaut, ruft in den Hof: "Die Lampen gehen auch nicht."
Seit Monaten kein Licht am Gang
Das stimme, bestätigt der Mann aus Syrien: Seit Monaten funktioniere das Licht am Gang nicht, man müsse sich mit der Taschenlampe behelfen.
Im Eingangsbereich des Hauses hängt ein Hinweisschild der Hausverwaltung. Ruft man die darauf angegebene Nummer, hört man: kein Anschluss unter dieser Nummer.
Er werde hier so bald wie möglich ausziehen, sagt der Syrer: "Ich habe in Salzburg einen Job als Fliesenleger gefunden. Ich liebe Wien, aber hier kann man nicht leben."
Auch die Baupolizei war involviert.
Die hygienischen Zustände sollen katastrophal sein.
Großer Einsatz der Behörde
Beim Einsatz der Behörde wurde in einigen Wohnungen aufgrund von Energiediebstahl die Stromzähler abmontiert. Personen, die dort nicht mehr wohnten, waren noch gemeldet. Ein 28-jähriger Kosovare wurde wegen fremdenrechtlicher Bestimmungen noch vor Ort festgenommen.
Seitens der MA 37 wurden zudem zahlreiche bauliche Mängel und unzulässige Veränderungen am Gebäude entdeckt. Wegen der enormen Ablagerungen wurden außerdem Verstöße gegen das Feuerpolizeigesetz festgestellt.
"Gefahr für die Bewohner"
"Der Zustand des Hauses ist katastrophal und stellt aufgrund hygienischer Mängel und illegaler baulicher Änderungen eine Gefahr für die Bewohner*innen dar. Die zuständigen Behörden werden nun weitere Schritte einleiten", sagt Walter Hillerer, Leiter der Gruppe Sofortmaßnahmen.
Die Kontrolle derartiger Problemhäuser sei derzeit einer der Schwerpunkte, hieß es seitens der Gruppe Sofortmaßnahmen. Grundsätzlich setze man alles daran, dass die Bewohner in den Wohnungen bleiben können. Bei Gefahr sei aber auch eine Evakuierung des Hauses möglich. Dazu arbeite man auch eng mit Notunterkünften zusammen. Nach jeder Kontrolle gebe es weitere Ermittlungen - im Vordergrund stehe immer die Sicherheit der Bewohner.
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