Problem Feinstaub
Ein gutes Gedächtnis als Autofahrer hat, wer sich noch daran erinnert, dass er früher auf der Höhenstraße 60 km/h, auf der B14 nach Klosterneuburg 70 km/h und auf manchen Abschnitten am Stadtrand sogar 100 km/h fahren durfte. Dann wurden im Dezember 2005 von der roten Stadtregierung rund zwei Dutzend Straßenabschnitte auserkoren, um dort das Feinstaubproblem (es ging damals noch nicht um Klima oder CO₂) zu sanieren.
Daraufhin folgten heftige Proteste der Autofahrerklubs – nicht nur, weil die Aufstellung der gelben Taferln pannenreich und teuer war, sondern auch, weil die Sinnhaftigkeit mit durchaus plausiblen Argumenten angezweifelt wurde. Schließlich ist ja ein Großteil des Wiener Feinstaubs – nämlich laut Rathaus sogar 75 Prozent – „importiert“, und zugleich brettern täglich 250.000 Fahrzeuge mit Tempo 80 über die Südosttangente.
Tatsächlich musste die Stadtpolitik schon nach wenigen Wochen etwas einlenken und etwa den 50er auf der Triester Straße und der Westeinfahrt zurücknehmen. Und der damalige Bürgermeister Michael Häupl versprach: „Wenn nachgewiesen wird, es bringt nichts, heben wir die Maßnahme wieder auf.“
Nun, 20 Jahre später kann von Aufhebung keine Rede sein. Der ÖAMTC fordert sie immer noch, ist vor Kurzem aber am Verfassungsgerichtshof gescheitert. „Unsere Beschwerde wurde leider ohne Prüfung abgelehnt. Meiner Meinung nach hätte man es inhaltlich prüfen müssen“, meint ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer. Denn leider sei das Grundproblem am IG-L nicht gesehen worden – nämlich „dass das Gesetz keine Überprüfungsverpflichtung hat“. Heißt im Klartext: Sind die gelben 50er-Taferln erst einmal montiert, können sie nur durch Verordnung des Wiener Landeshauptmanns wieder abgenommen werden – selbst, wenn sich die Luft schon massiv verbessert hat.
Genau damit wird ja in Tirol, Salzburg und der Steiermark die Abschaffung des „Feinstaub-100ers“ argumentiert. Und Wien? „Hier wird der 50er aus politischen Gründen erhalten. Beziehungsweise will man keine anderen Signale senden“, vermutet Hoffer. Dabei würde eine Aufhebung keinesfalls die Luftwerte verschlechtern.
„Effekt relativ gering“
Die Wissenschaft gibt ihm recht – zumindest teilweise: „Ja, Feinstaub ist sehr gleichmäßig über die Stadt verteilt, man findet quellennah nicht sehr viel höhere Werte“, sagt Umweltmediziner Hanns Moshammer. „Der Effekt von Tempo 50 ist relativ gering.“ Ist es nicht ein Anachronismus, dass just dort, wo Wien die beste Luft aufweist – also im Wienerwald –, auf den rund 20 Kilometern der Höhenstraße Sanierungsgebiet ist? Antwort von Moshammer: „Es geht auch um Lärm, Verkehrssicherheit, CO₂-Ausstoß und Energieverbrauch. Feinstaub ist nichts das wesentliche Thema.“
Dann wäre die IG-L-Tempobremse aber das falsche Mittel der Wahl. Verkehrs- und Umweltressort der Stadt Wien wollten sich zu dieser Diskrepanz gegenüber dem KURIER allerdings nicht äußern. Erst im Jänner zog man Bilanz über das Jahr 2024: Die Luftqualität sei „weiterhin auf sehr gutem Niveau“: „Alle Schadstoffgrenzwerte wurden eingehalten.“
Kommentare