Cousine in Wien vergewaltigt: "Ich habe geschlafen, als es passiert ist"

Laura S. (Name geändert) wurde vergewaltigt.
Laura S. wurde laut eigenen Angaben von ihrem Cousin missbraucht. Warum ihr Pyjama nicht als Beweismittel untersucht und ihr Fall eingestellt wurde.

Ihre Wohnung in Meidling konnte die 20-jährige Laura S.* nach dem 2. Februar für Monate nicht mehr betreten. Zu schmerzhaft war die Erinnerung an jene Nacht, in der sie ihren Geburtstag nachgefeiert hatte. 

"Wir waren in einem Club und mein Cousin war zu dem Zeitpunkt auch zufällig in Wien. Wir sind zusammen aufgewachsen, er hat mir die ersten Schritte beigebracht", erzählt Laura S. Deswegen habe sie sich auch nicht viel dabei gedacht, als er sie gefragt hatte, ob er nach dem Clubbing bei ihr übernachten könnte. 

Der 28-Jährige, nennen wir ihn Thomas, legte sich gegen 6.30 Uhr zu seiner Cousine ins Bett. "Ich bin seitlich mit dem Kopf zur Wand gelegen. Plötzlich hat er mich dann mit einer Hand an der Hüfte gepackt", schildert die junge Frau. 

"Ich dachte, er realisiert, dass wir Familie sind"

Dann habe sich der 28-Jährige den Kopf angestoßen und gesagt, was passiere hier gerade, das sei nicht normal. 

"Ich dachte, okay er realisiert, dass wir Familie sind, er wird mich in Ruhe lassen." Dann sei sie eingeschlafen und durch Schmerzen in ihrem Körper aufgewacht. "Ich war in einer Schockstarre, ich habe mich nicht gewehrt. Ich habe nicht geschrien, ich habe nichts gemacht." 

Eine Person sitzt in einem hellen Raum mit einem großen Fenster.

Die 20-Jährige kämpft seither mit psychischen Problemen und Alpträumen.

Nach dem Übergriff vertraute sich die 20-Jährige ihrer besten Freundin sowie ihrer Familie an. Noch am gleichen Tag fuhr Laura S. in die Klinik Landstraße, wo mehrere Abstriche gemacht worden. Einen Tag später erstattete die junge Frau bei der Polizei Anzeige. 

Zweieinhalb Stunden ausgesagt

"Ich habe dort zweieinhalb Stunden eine Zeugenaussage gemacht. In meiner Wohnung haben sie meinen Pyjama und meine Bettwäsche mitgenommen." Die Polizei nahm daraufhin die Ermittlungen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigen Person auf. 

Im Mai erhielt Laura S. ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde - aufgrund mangelnder Beweise.

Zahlen der Einstellungen nehmen dazu

Kein Einzelfall, wie ein Blick in die Statistik des Justizministeriums zeigt: Wurden 2020 etwa noch 745 Verfahren wegen Vergewaltigung eingestellt, waren es im Vorjahr bereits 1.082. Zu einer Verurteilung kam es im Vergleich dazu in 128 Fällen, Freisprüche gab es im vergangenen Jahr beim Delikt der Vergewaltigung 53.

"Wir dürfen ganz allgemein darauf hinweisen, dass Anfall und Beendigung des Strafverfahrens nicht zwingend im gleichen Jahr liegen. Beispielsweise kann es über den Jahreswechsel sowie bei komplexeren Verfahren zu Erledigungen in unterschiedlichen Jahren kommen", heißt es dazu auf Anfrage aus dem Justizministerium.

Die Entscheidung des Landesgerichts ist für die 20-Jährige völlig unverständlich. "Ich habe mich sehr im Stich gelassen gefühlt und mir deshalb auch einen Anwalt genommen, um einen Fortsetzungsantrag zu machen." Doch auch dieser wurde von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. 

Anwalt Christoph Naske betonte gegenüber dem KURIER, dass man in dem Fall mehr Zeugen hätte zulassen beziehungsweise hören müssen: "Hätte man die Familienmitglieder, denen sie unmittelbar danach davon erzählt hat, angehört, hätte das ihre Aussagen und ihre Glaubwürdigkeit zusätzlich gestützt."

Pyjama nicht untersucht

Außerdem seien DNA-Spuren nicht vollständig ausgewertet worden, die ebenfalls zu einer erhöhten Glaubhaftigkeit - der Pyjama zum Beispiel wurde nicht untersucht. Warum? 

"Der Beschuldigte hat nicht bestritten, dass es einen sexuellen Kontakt gegeben habe. In einer schriftlichen Stellungnahme ließ er das Gericht über seinen Anwalt wissen, dass alles einvernehmlich passiert sei", schilderte Naske. 

"Dass er die Tat als einvernehmlichen Kontakt darstellte, war für mich ein Schlag ins Gesicht. Die Justiz nahm das auch so auf. Ich wurde mundtot gemacht, durfte keine weiteren Aussagen machen", sagte Laura S. 

"Rechte müssen ernst genommen werden"

Die 20-Jährige leidet seither unter PTBS und Albträumen. Ihre Geschichte erzählt sie, um auf das Thema aufmerksam zu machen: "Ich erzähle, was mir passiert ist, damit andere Frauen nicht das gleiche Schicksal erleiden müssen. Ich fordere, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich fordere, dass die Rechte von Frauen endlich ernst genommen werden."

*Name von der Redaktion geändert

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