Nach Pleiten-Serie: Haben die Wiener den veganen Hype satt?

Ein Burger, Pommes und ein Getränk von Karl Schillingers „Swing Kitchen“.
In der veganen Lokallandschaft mehren sich die Pleiten, auch große Ketten scheinen auf dem Rückzug. Eine Suche nach den Gründen.

Eine vegane Bio-Konditorei, die in einer ehemaligen Fleischerei aufsperrt: Die Eröffnung von „Moriz“ am Ende der äußeren Mariahilfer Straße im Juni 2024 war das Sinnbild des Wandels.

In der großen Produktionsküche wollte Paul Nähr mit seinem 25-köpfigen Team viele Tausend Stück Mehlspeisen produzieren, um Kaffeehäuser und Hotels zu beliefern. Der passende Slogan: Der Zeit ihre Kost.

Nach nur sechs Monaten plötzlich die Schließung, man musste Insolvenz anmelden. Anderen geht es nicht viel besser.

Burger King schloss seine fleischlose Filiale am Westbahnhof nach knapp neun Monaten, McDonald's strich den „McPlant“. Auch die vegane Burgerkette Swing Kitchen ist nun teilweise insolvent. Ist die Zeit der veganen Kost also schon wieder vorbei?

Peschta: "Der erste Hype ist weg"

„Der erste Hype ist weg, jetzt findet eine Konsolidierung statt. Manche werden ihre Konzepte ändern müssen, andere ganz vom Markt verschwinden“, sagt Thomas Peschta, Gastronomie-Obmann der Wiener Wirtschaftskammer. Prinzipiell ginge es der veganen Gastronomie in Wien „nicht so schlecht.“ Zuversicht hört sich anders an.

Die vegane Gastronomie kämpft an mehreren Fronten: Zum Beispiel Inflation und Personalmangel, die auch der herkömmlichen Gastronomie zu schaffen machen.

Ein Burger, Pommes und ein Getränk von Karl Schillingers „Swing Kitchen“.

Swing Kitchen. Am Handelsgericht Wien wurde ein Sanierungsverfahren eingeleitet.

Hinzu kommt ein demografisches Problem: Laut Schätzungen ernähren sich fünf Prozent der Menschen in Österreich vegan und acht bis zehn Prozent vegetarisch.

Jung und knapp bei Kasse

„Die vegane Zielgruppe ist eine relativ kleine und besteht aus jungen Erwachsenen. Sie können es sich nicht leisten, oft essen zu gehen, studieren oder gründen gerade einen Haushalt und gehen eher zum Imbiss oder einkaufen, um selbst zu kochen“, erklärt Peschta.

Dass McDonald’s den pflanzlichen Burger aus dem Sortiment nimmt, zeige, dass die breite Zielgruppe fehle. Ein Erfolgsmodell in der Landschaft der veganen Lebensmittel in Wien scheint noch immer der „Billa Pflanzilla“ auf der Mariahilfer Straße zu sein.

Als der vegane Shop im September 2022 eröffnete, standen auch hier vor allem junge Leute Schlange. Fast drei Jahre später scheint der Reiz dieser grünen Billa-Schiene noch nicht abgerissen zu sein. „Sie wird weiter gut angenommen“, sagt ein Rewe-Sprecher auf KURIER-Anfrage.

Ausschlaggebend dafür sei aber unter anderem der Standort. Auf der Mariahilfer Straße sei genau jene Kundschaft anzutreffen, die auch im „Billa Pflanzilla“ einkaufe. „Vegane Shops funktionieren nicht an jedem Standort.“ Das sei mitunter auch der Grund, weshalb es keine anderen rein veganen Filialen in Österreich gebe – mit Ausnahme eines Pop-up-Stores, der von 2023 bis 2024 in Graz geöffnet war.

Scheitern gehört dazu

Vorbei ist der vegane Trend in der Gastronomie laut Peschta trotz Pleiten nicht: „Manche Projekte sind zu schnell gewachsen. Veganismus ist aber gekommen, um zu bleiben. Es ist ein innovatives Feld und immer noch ein aufstrebender Geschäftszweig, vor allem im Fine-Dining-Bereich.“

Eine professionelle Küche mit Edelstahlofen und Geräten.

In der Produktionsküche von "Moriz" wollte man tausende Stück vegane Mehlspeisen produzieren.

Das Team eines Cafés steht hinter der Theke unter einem Schild mit der Aufschrift „Der Zeit ihre Kost“.

Paul Nähr (Mitte) mit seinem Team vom "Moriz".

Menschen gehen an einem Zara- und Billa-Plus-Geschäft vorbei.

Die vegane Billa-Filiale auf der Mariahilfer Straße zieht vor allem junge Menschen an.

Was bei einer vergleichsweise jungen Branche auch dazu gehört: etwas Neues zu versuchen – und zu scheitern. Getraut hat sich das auch „Moriz“-Gründer Paul Nähr: „Es gab ein unglaubliches Interesse bei Gästen und Abnehmern. Ich war noch eine Woche vor der Schließung mit großen Abnehmern im Gespräch. Dann ist uns leider die Zeit ausgegangen. Am Ende war es eine Verkettung sehr unglücklicher Umstände.“

Stürmische Zeiten

Die veganen Pleiten der jüngsten Zeit will der 30-Jährige nicht als Ausdruck eines Scheiterns des Veganismus deuten: „Die Gründe sind eher strukturelle und ökonomische, die alle betreffen.“ Vegane Geschäftsideen würden Mut erfordern und meist von jungen Unternehmern mit einem schwierigen finanziellen Background umgesetzt. „Dafür sind es gerade herausfordernde Zeiten. Der Wind bläst scharf in den letzten Jahren.“

Kritik übt Nähr auch an den Rahmenbedingungen in Österreich: „Es ist nicht sehr unternehmerfreundlich. Jungen Menschen, die eigene Wege gehen wollen, werden oft Steine in den Weg gelegt. Man muss Vielfalt zulassen und fördern.“

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