Hochsaison für illegale Sprayer

Werkstätte der ÖBB in Floridsdorf
Die ÖBB kämpfen gegen Graffiti. Schadenszahlungen werden den Tätern oft zum Verhängnis.

In großen blauen Buchstaben steht „I love U“ auf der S-Bahn-Garnitur geschrieben. Daneben ein großes rotes Herz mit der Aufschrift „Für Naomi“. Alle drei Waggons des über Nacht abgestellten Zuges wurden mit ähnlichen Graffiti beschmiert. „Das waren sechs Sprayer. Wir kennen sie schon. Das sind sowieso immer die gleichen“, konstatiert ÖBB-Graffiti-Spezialist Andreas Schafhauser beim Anblick der Garnitur in der Hauptwerkstätte in Wien-Floridsdorf. Hier werden die angesprühten Züge gereinigt.

Die Graffiti-Sprayer verursachen enormen Schaden. 2012 waren es in Österreich knapp 3,5 Millionen – 1,2 Millionen allein bei den ÖBB. 100.000 Euro mehr als im Vorjahr. „Das Gefährliche ist, dass die Sprayer Sicherheitshinweise übermalen, die für die Einsatzkräfte wichtig sind“, erklärt Schafhauser.

Aufwendige Reinigung

Deswegen werden angesprühte Garnituren möglichst schnell aus dem Verkehr gezogen und gereinigt – und das per Hand. Vier Arbeitsschritte sind dafür notwendig: Erst wird ein spezielles Graffiti-Gel aufgetragen. Dieses löst die Sprayfarbe, ohne die Lackierung des Zuges zu beschädigen. Danach folgt ein flüssiges Lösungsmittel, die Grundreinigung und zuletzt das Absprühen mit Wasser. Knapp fünf Stunden brauchen zwei Graffiti-Entferner, um die Liebeserklärung vollständig zu beseitigen. Kosten: rund 4000 Euro – auf denen die ÖBB in den meisten Fällen sitzen bleiben.

Die Graffiti auf den öffentlichen Verkehrsmitteln sind im Auge des Gesetzes eine Sachbeschädigung. Übersteigt der Schaden 3000 Euro, wird es sogar als schwere Sachbeschädigung gewertet. Dafür drohen den Sprayern bis zu zwei Jahre Haft – wenn sie überhaupt gefasst werden. Denn die Aufklärungsquote bei Sachbeschädigungen ist gering: Österreichweit wurden 2012 nur 20 Prozent aller Fälle geklärt, in Wien gar nur fünf Prozent.

Zudem sind die Sprayer oft vermummt. „Solche Delikte passieren meist in der Nacht, die Täter tragen Handschuhe, sodass kaum Spuren bleiben“, erklärt Thomas Keiblinger von der Wiener Polizei.

Um der Sprayer habhaft zu werden, vernetzen sich die Verkehrsbetriebe in Europa. Denn auch die Sprayer sind international vernetzt. Wird einer irgendwo in Europa erwischt, wird sein Tag (Künstlername, mit dem ein Sprayer seine Bilder versieht, Anm.) in den internen Datenbanken gesucht. So können einem Sprayer weitere Taten nachgewiesen werden.

Seltene Erfolge

Der 27-jährige Mark-Christian Z. wurde erwischt: Der Sprayer aus dem Burgenland wurde vor einigen Wochen am Wiener Westbahnhof gefasst. Auf seiner Kamera befanden sich 140 Fotos von Graffiti. Ihm wird ein Schaden von mehr als 100.000 Euro zugeschrieben.

Diese Summe wird der junge Mann – sollte er verurteilt werden – an die ÖBB zurückzahlen müssen. „Meist werden Ratenzahlungen vereinbart. Doch auch diese können die Zukunft der jungen Menschen zerstören“, gibt Hermann Schmidt von der ÖBB-Konzernsicherheit zu.

Lebensgefahr

„Deswegen ist es wichtig, dass die Jugendlichen – denn die meisten Sprayer sind zwischen 15 und 22 Jahre alt – verstehen, welche Konsequenzen das hat.“ Zudem begeben sich die Sprayer oft in Lebensgefahr, wenn sie über die Gleise zu den abgestellten Zügen gehen.

Die ÖBB versuchten es vor Jahren mit Aufklärungsarbeit an den Schulen. „Aber viele Schüler sind einfach aufgestanden und gegangen“, bedauert Schmidt die Reaktionen.

Orte, an denen legal gesprayt werden darf

Sprayen muss nicht immer im Verbotenen passieren. Legal gesprayt werden darf auf diesen acht Wänden in Wien:

Leopoldstadt Obere Donaustraße 43–45b/Rampe am Donaukanal.

Mariahilf Esterházypark (Käfig).

Alsergrund Beim Ausgang der U4-Station Rossauer Lände, entlang des Donaukanals. Beim Aufgang zum Skaterplatz im Arne-Carlsson-Park.

Ottakring Spielplatz am Yppenplatz.HernalsSpielplatz Lidlgasse.

Döbling Nussdorfer Lände, entlang des Donaukanals.

Floridsdorf Nordbrücke, Uferverbauungen, etwa 90 Meter lang. www.wienerwand.atAuf dieser Seite bietet die Stadt Wien Graffiti-Künstlern legale Flächen an. Kennzeichen ist die Wiener Taube.

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