Überraschung: Staufreies Wien

Überraschung: Staufreies Wien
Weniger Staus und mehr Jahreskarten für die Öffis. Experten sind überrascht, dass der Trend weg vom Auto geht.

Kaum Staus auf den Wiener Stadteinfahrten, keine Blechkarawanen in der City. Sogar der Verkehrsfunk kommt zurzeit jeden Morgen mit Kurzmeldungen aus. Wo sind die Autos geblieben? Explodierende Spritpreise, die nervige Parkplatzsuche und zeitraubende Staus haben bei den Autofahrern in Wien offenbar Wirkung gezeigt. Denn es wird jetzt verstärkt auf Öffis umgestiegen.

Selbst für Verkehrsexperten kommt dieser Trend überraschend. „Derzeit sind tendenziell um ein paar Prozent weniger Autos unterwegs als sonst im Jänner“, bestätigt Lydia Ninz vom ARBÖ. Als Ursachen nennen die Experten vielerlei Dinge. Am häufigsten werden dabei die Treibstoffpreise angesprochen.

Rekord bei Jahreskarten

Profiteur dieser Entwicklung sind die Wiener Linien. Derzeit sind 371.000 Jahreskarten im Umlauf, das sind um 11.000 mehr als im Jänner des Vorjahres. „Wir verzeichnen klare Fahrgast-Zuwächse. Der Ausbau des U-Bahnnetzes macht sich bezahlt“, resümiert Anna Reich von den Wiener Linien. Beispiel U-2-Ausbau nach Aspern: Bevor die Silberpfeile bis in die Donaustadt fuhren, nutzten 28 Prozent der Bewohner die Öffis. Jetzt sind es 34 Prozent.

Auch die Verkehrspolizei bestätigt diesen Trend.

„Man merkt, dass in der Donaustadt mehr Leute zu den U-Bahn-Stationen abbiegen und öffentlich in die Stadt fahren“, sagt Oberst Josef Binder. „Allerdings lädt die gute Schneelage zum Skifahren ein. Viele Wiener nutzen das aus.“ Ob dieser Trend zu weniger Autos auf Wiens Straßen also länger anhält, könne man erst nach den Semesterferien beurteilen, sagt der Polizist.

Tangente staufrei

„Der Jänner und der August sind zwar traditionell die verkehrsärmsten Monate, aber man sieht auf jeden Fall weniger Verkehr auf der A 23 als sonst“, sagt Günther Koch vom ÖAMTC-Mobilitätsdienst. „Offenbar probieren auch viele die neue Westbahn aus, die mit den ÖBB unzufrieden waren“, sagt Thomas Haider vom ARBÖ.

Auch der Verkehrsverbund Ostregion (VOR) meldet Rekordergebnisse. Sprecher Werner Molik: „Bereits von 2010 auf 2011 verzeichneten wir einen Fahrgastzuwachs von fünf Prozent, auf 950 Millionen Passagiere. Nach den ersten Stichproben erwarten wir für heuer eine weitere Steigerung.“ Molik setzt dabei auf die knapp 200.000 täglichen Wien-Einpendler (Arbeit, Ausbildung): „Hier können wir noch punkten.“

Mit den täglichen Staus in der Stadt hatte bis vor kurzem die Wiener Rettung zu kämpfen.

Momentan kommen die Fahrer überall problemlos ans Ziel, berichtet Notarzt Herbert Heissenberger: „ Wir fragen uns zurzeit auch, wo die Autos geblieben sind. Halb Wien kann ja nicht Skifahren sein.“

Genau das wiederum glaubt der Geschäftsführer der Wiener Taxi-Innung, Andreas Tschurda: „Man soll sich nicht zu früh freuen. Ich vermute, dass sehr viele Wiener und Einpendler zurzeit auf Urlaub sind. Wir verzeichnen keine Fahrgaststeigerungen.“

Die OMV schweigt sich jedenfalls dazu aus, ob sie die aktuelle Entwicklung an den Zapfsäulen spürt. Bei der Asfinag heißt es, dass im vergangenen Jahr zehn Prozent weniger Staus registriert wurden als im Jahr zuvor. Aktuelle Zahlen für Jänner liegen noch nicht vor.

Fahrrad statt Auto

Der Trend weg vom Auto beschert auch dem Fahrrad neue Höhenflüge. Auf einzelnen Radwegen, etwa um den Ring, gab es bereits 2011 ein Plus von bis zu 40 Prozent bei den Zählungen. Hier dürfte der Aufwärtstrend weiter anhalten. Dank des ausbleibenden Schneefalls sind in Wien zurzeit so viele Bikes unterwegs wie nie zuvor.

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