U1-Sanierung: Steirer schuften für Wien

U1-Sanierung: Steirer schuften für Wien
Reportage: Die Wiener U-Bahn wird in erster Linie von Nicht-Wienern gebaut und saniert. Sie arbeiten oft weit entfernt von Familie und Freunden.

Er hat muskulöse Oberarme wie jene Kraftsportler, die derzeit in London Gold, Silber und Bronze gewinnen. Auch sein Lächeln hat etwas Gewinnendes. Dabei hat er einen knochenharten Beruf.

Der Schlosser Willi Saubach aus Judenburg war zuvor im Tunnelbau in Irland und in der Schweiz tätig. Derzeit ist er bei der notwendigen Sanierung der Wiener U-Bahn im Einsatz.

Untergrundbewegung

U1-Sanierung: Steirer schuften für Wien

Wer in diesen Tagen etwa vom Karlsplatz oder vom Stephansplatz in die Wiener U-Bahn-Unterwelt hinabsteigt, kann seinen Ohren kaum trauen.

Die Baustelle der Linie U1 ist fest in steirischer Hand.

"Kan Zanti Spatzi!" ruft einer der Helmträger seinem Kollegen zu. Und was für ein Wunder: Der Kollege nickt!

Für alle, die des Steirischen nicht mächtig sind: Es war kein Zentimeter Spatium, also kein Abstand bzw. kein Spiel, wie man in Wien vielleicht eher sagen würde.

Über die Sanierungsarbeiten auf dem U1-Teilstück zwischen Schweden- und Reumannplatz wurde auch im KURIER ausführlich berichtet. Trotz medialer Aufmerksamkeit führen jedoch jene 300 Bauarbeiter, die im Wiener Untergrund einen straffen, sehr ambitionierten Terminplan einhalten müssen, ein Schattendasein.

Zum Beispiel Willi Saubach. Wien gefällt ihm gut, sagt der 27-jährige Steirer, aber: "Daheim ist es doch am Schönsten." Daheim hat er ein kleines Kind, das er die ganze Woche nicht sieht. Eine Frau, sagt er, hat er im Augenblick nicht.

Die Scheidungsrate bei Wochenpendlern ist hoch.

Saubach steigt am Montag um zwei Uhr in der Früh in Judenburg in sein Auto ein, um rechtzeitig zum Arbeitsbeginn in Wien zu sein. Klaus Kamper, ein Gleiswerker aus Moosburg in Kärnten, der seit dreißig Jahren für die Strabag werkt und derzeit die Betonierer verstärkt, erzählt, dass er das frühe Aufstehen heute nicht mehr derpackt. "Unsere Arbeit geht an die Substanz." Daher fährt er schon am Sonntagnachmittag auf die Autobahn – Richtung Wien.

Beziehungswaise

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Hier in Wien wohnt er dann – wie so viele, die beim U-Bahn-Bau mithelfen – in einem Quartier seiner Firma am Stadtrand.

Auch für seinen Chef, den Grazer Thomas Christoph, beginnt die Arbeitswoche bereits Sonntagnachmittag: "Eine Beziehung ist da gar nicht so einfach." Nachsatz des 37-jährigen Ingenieurs: "Single-Sein ist für mich im Moment fast einfacher."

Mit Hochachtung spricht Christian Nebois von den Wiener Linien über die Kollegen aus der Provinz. Der Ingenieur mit dem französisch klingenden Familiennamen koordiniert die Arbeiten zwischen Karls- und Südtiroler Platz. Er ist – deutlich hörbar – der einzige Wiener weit und breit.

Die, die Hand anlegen und im künstlichen Licht der Tunnelröhren schwitzen, kommen aus den Bundesländern bzw. aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien sowie der Türkei.

Und dabei sind es ausgerechnet die "Kollegas" mit nichtdeutscher Muttersprache, die in Wien permanent leben. Alle anderen Tunnelbauer pendeln zu Wochenbeginn nach Wien ein, um dann zum Wochenende die Stadt so schnell wie möglich wieder zu verlassen.

"Was das Arbeiten anlangt, sind die vom Land besser", sagt Bauleiter Alois Schellnast. "Weil die packen ganz anders an." Und was macht ihn persönlich stolz? "Wenn wir rechtzeitig fertig werden und die Leute wieder durchgehend mit der U1 fahren können."

U-Bahn-Bau: Wo überall gebaut wird

Geschichte Wiens U-Bahn ist seit 1978 in Betrieb. Derzeit fährt sie 101 Stationen an. Derzeit wird die Linie U1 zwischen Schweden- und Reumannplatz modernisiert – beide Gleise auf 4 km Länge. Wiedereröffnung: 27. August

In Bau sind die Verlängerungen der U2-Nord in die Seestadt Aspern (4,2 km) und der U1-Süd nach Oberlaa (4,6 km).

In Planung U2-Verlängerung in den Süden (bis 2019).

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