Taxlerin aus Leidenschaft: Durch die Nacht mit Frau Ilona

Ilona Provaznik
Seit 27 Jahren ist Ilona Provaznik Taxlerin. Als eine der wenigen fährt sie bei Dunkelheit.

"Oh, eine Frau, wie angenehm!" Nicht selten hört Ilona Provaznik diesen Satz, wenn eine neue Fahrgästin zusteigt, die sich dann mit einem erleichternden Seufzer auf die Rückbank fallen lässt.

Erst am Wochenende wurde bekannt, dass sich ein Taxifahrer an einer schlafenden Frau vergangen haben soll. Solche schwarzen Schafe können eine Branche schnell in Verruf bringen. Frauen, die sich unsicher fühlen, können beim Wiener Taxi-Funkdienst 40100 auch eine Lenkerin anfordern.

Ruft man in der Nacht an, kann es durchaus sein, dass Ilona Provaznik vorbeikommt. Unter den 1800 Fahrern, die für 40100 unterwegs sind, befinden sich rund 100 Frauen. Nur wenige davon sind in der Nacht unterwegs.

Warum sich Provaznik für den späten Dienst entschieden hat? "Ich bin einfach ein Nachtmensch", sagt die gebürtige Wienerin, während sie sich beim Standplatz in der Silbergasse in Wien-Döbling einparkt. "Außerdem teile ich mir das Auto mit meinem Mann. Er fährt untertags."

Klagemauer

Und weshalb sie sich den rauen Job überhaupt antut? Weder "rau" noch "antun" findet Provaznik passend. "Autofahren ist einfach meine Leidenschaft." Ihren ersten Pkw, ein weißer Lada Niva, kaufte sie, sobald sie mit 18 Jahren den Führerschein hatte. "Und wenig später habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht." Es ist ein Job, in dem sie manchmal Seelenklempner, manchmal Klagemauer, manchmal Eheberaterin ist. Erst kürzlich habe sie ein Paar zu einem Ball gefahren. Die Dame habe nicht aufgehört, dem Mann Vorwürfe zu machen. "Irgendwann sagte ich: ,Aber haben Sie doch Erbarmen mit dem Herrn, er hat sich doch schon so oft entschuldigt.‘" Die Frau musste grinsen und der Mann schickte der Lenkerin über den Rückspiegel einen dankbaren Blick zu.

Taxlerin aus Leidenschaft: Durch die Nacht mit Frau Ilona
Bildunterschrift
Solche Erlebnisse geben der Fahrerin Energie. Und die ist notwendig. Denn, ja, die Zeiten werden härter. Seit sich Provaznik vor knapp einer Stunde am Standplatz eingeparkt hat, ist kein Gast zugestiegen. "Wartezeiten von einer Stunde sind keine Seltenheit. Deshalb habe ich immer ein dickes Buch mit."

Trotzdem möchte sie in Zukunft Taxi fahren – auch wenn sie vor Kurzem selbst Opfer einer Attacke wurde: "Es war am Heiligen Abend gegen 19 Uhr. Ich hatte einen Fahrgast nach Meidling gebracht und rollte gerade zum Randstein. Auf einmal geht eine der Hintertüren auf. Ich drehe mich um, will dem Mann sagen, er soll die Tür wieder zumachen – und blicke auf eine 20 Zentimeter lange Messerklinge." Vier Männer hatten sich dem Fahrzeug von hinten genähert. Provaznik: "Ich weiß nicht, ob meine Reaktion panisch oder mutig war. Jedenfalls habe ich ,Festhalten!‘ gerufen und bin aufs Gas gestiegen." Die Männer konnte sie damit jedenfalls abschütteln.

Auch wenn nichts passiert ist, die Taxilenkerin ist seit dem Vorfall hellhöriger geworden, sieht sich die Fahrgäste genauer an. Ihre Arbeit will sie sich davon aber nicht vermiesen lassen: "Ich denke mir: Ich war 27 Jahre ohne Vorfall unterwegs. Jetzt können die nächsten 27 Jahre ohne Zwischenfall kommen."

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