Strauss in 23 Wiener Bezirken: "Operette ist für alle da"

Spaß mit Strauss – Szene aus „Indigo“, ab Sonntag bis 23. Juni 23 Mal an verschiedenen Orten in Wien unter freiem Himmel.
An Johann Strauss denken, provoziert bei Anna Bernreitner das Bild "Schwimmbad" im Kopf: Denn sie hat schon einmal "Die Fledermaus" als Outdoor-Produktion in Wien inszeniert, die in zehn verschiedenen Bädern als große Party aufgeführt wurde.
Ab Sonntag wird "Indigo und die 23 Räuber*innen", nach „Indigo und die 40 Räuber“ (1871) gezeigt, inszeniert von der in Waidhofen an der Ybbs geborenen Regisseurin und Spezialistin für Opern an ungewöhnlichen Plätzen.
Das Erstlingswerk des Walzerkönigs ist mit Ensemble, Orchester, Chor und einem Esel-Darsteller von 1. bis 23. Juni 23 Mal Open Air an verschiedenen Orten in Wien zu erleben. "Lustig, überzeichnet, mit kleinen Abgründen."
"Ich finde faszinierend, dass die Figuren so absurd sind", sagt Bernreitner im KURIER-Gespräch und freut sich, "in diesem speziellen Format im öffentlichen Raum noch ein bisschen verrückter sein zu können als im klassischen Theaterraum. Man hat dabei als Regisseurin eine unglaubliche Freiheit."
Machtspiel statt Liebe
"Ein bisschen erinnert mich 'Indigo' an eine Operette von Offenbach." Auf der exotischen Insel des übertrieben eitlen, narzisstischen Königs Indigo strandet ein Wiener Liebespaar, das sich in dieser ganz anderen Welt auflehnt.
Es geht viel mehr um Machtgelüste als um die romantische Liebe und die Frage: "Was macht Macht mit einem?"
Operette mit Esel
Oder anders ausgedrückt: "Wer von uns ist – wie auf der Bühne – ein Esel und wer ein Eselstreiber? Und wie oft wechseln wir diese Rolle jeden Tag?" Spürbar seien die im Stück enthaltenen politischen Tendenzen, wenn auch in einen abstrakteren Rahmen als bei Strauss gefasst. Mit einem König Indigo, der gern selber Gott sein will in einer nicht weniger surrealen Polit-Realität, in der der US-Präsident jüngst erklärte, er wäre gern Papst.
Mit ihren Arbeiten will die experimentierfreudige 39-Jährige Menschen erreichen, die glauben, mit Oper nichts anfangen zu können. "Aber das stimmt nicht. Oper und Operette sind für alle da. Nur muss sich die Geschichte gut erzählen auf der Straße."
Mozarts "Die Entführung aus dem Serail" ließ Bernreitner im Boxer-Milieu mit Show-Kampf während der Ouvertüre spielen. Puccinis „Tosca“ wurde bei ihr zum "Polit-Thriller". Und zu Purcells "The Fairy Queen" als Freiluft-Event auf 1.400 Metern Höhe in den Bergen von St. Gallen sagte sie: "Kuhglocken stören die Oper nicht." So kann’s schon passieren, dass – wie bei Proben in der Donaustadt – eine Passantin mit dem Einkaufswagerl über die Bühne fährt.
Bernreitners nächste Projekte: "Die Fledermaus" (ab 7. 12., Opernhaus Zürich); „The Fairy Queen“ (Indoor ab Februar 2026, St. Gallen). Und bei den von ihr in Szene gesetzten Einaktern "Lady Magnesia" und "Zweimal Alexander" von Mieczysław Weinberg und Bohuslav Martinů (ab Juni 2026, Wiener Kammerspiele) ist die Frage: Schwarze Komödie, Krimi oder Opernparodie?
Auch für "Indigo", produziert vom Festjahr Johann Strauss 2025 Wien in Kooperation mit "Wir sind Wien. Festival" gilt für Bernreitner: "Jedes Werk ein neues Wagnis, ein neues Abenteuer, ein neuer Blick in die Seele. Wahrhaftig erschütternd und erschütternd wahrhaftig."
Kommentare