In all die Euphorie, die die Parteispitze erfasst hat, mengen sich aber auch mahnende Stimmen: „Die Gefahr ist groß, dass sich in der Partei jetzt Selbstzufriedenheit breitmacht“, sagt ein Funktionär aus einem Innenstadt-Bezirk zum KURIER. Dazu gebe es aber keinen Anlass, wenn man die Ergebnisse bei den Bezirksvertretungswahlen genauer ansehe. „In manchen Bezirken sind uns die Grünen schon sehr knapp an die Pelle gerückt“, warnt er. Etwa in Wieden und Mariahilf, aber auch in Hernals. Ganz zu schwiegen vom Betriebsunfall im 5. Bezirk der nach SPÖ-internen Querelen überhaupt an die Grünen verloren gegangen ist.
Solche Selbstfaller seien aber gar nicht nötig, so die Befürchtung, damit bei der nächsten oder übernächsten Wahl weitere Bezirke von Rot auf Grün umgefärbt werden können. Dafür sorge schon der dortige demografische Trend hin zu einer immer stärker links orientierten Bevölkerung.
Mittelfristig, so der Funktionär, könnten die Grünen auch auf Gemeindeebene in Richtung 20 Prozent rücken und sich auf diesem Niveau verfestigen.
Gefahr drohe auch von einer zweiten Seite: „Hätte die KPÖ wie in Graz oder Salzburg einen zugkräftigen Spitzenkandidaten gehabt, hätte sie bestimmt den Einzug in den Gemeinderat geschafft.“
Vorbild Alsergrund?
Zurück auf die Bezirksebene: Lediglich in zwei konnte die SPÖ diesmal Zugewinne verbuchen: In Simmering (plus 0,7 Prozentpunkte), wo die Roten einen besonders intensiven Wahlkampf führten, um den drohenden Sieg der FPÖ zu verhindern. Noch besser schnitt man nur mehr im Innenstadt-Bezirk Alsergrund ab (plus 3,25 Prozentpunkte). Mit 34,7 Prozent liegt die SPÖ dort auch weiterhin deutlich vor den Grünen mit 27,5 Prozent (minus 1,73 Prozentpunkte).
Die dortige Bezirkspartei rund um Bezirksvorsteherin Saya Achmad ist bekannt für ihren innerhalb des SPÖ-Spektrums besonders linken Kurs. Der stv. Bezirksparteichef Nikolaus Kowall hat einst gegen den Willen der Landespartei das kleine Glücksspiel in Wien zu Fall gebracht. Mit seiner Kurzzeit-Kandidatur für den Posten des Bundesparteichefs hat er 2023 den Weg für das Antreten von Andreas Babler gegen Hans Peter Doskozil frei gemacht.
Angesichts des Wahlerfolgs ist in seiner Partei nun das Selbstbewusstsein groß. Man sieht sich als Vorbild dafür, wie sich auch die Genossen in anderen Innenstadt-Bezirken die Grünen langfristig vom Leib halten können. „Es ist uns gelungen, das Thema Verkehrsberuhigung und aktive Gestaltung des öffentlichen Raums aus der grünen Ecke herauszuholen“, sagt Kowall.
Im Gegensatz zu anderen roten Bezirksparteien macht man damit aber nicht an der Bezirksgrenze Halt. So stellte sich die SPÖ Alsergrund entgegen der Parteilinie gegen den Bau des Lobautunnels.
Entspannte Landespartei
Ob man in der Landespartei Gehör findet, ist fraglich. Dort relativiert man das starke Abschneiden der Grünen. „Jede Wahl ist anders zu bewerten“, betont ein Rathaus-Funktionär. „Die Grünen haben von der niedrigen Wahlbeteiligung profitiert, weil ihre Anhänger sehr verlässlich zu Wahlen gehen.“
Er verweist zudem auf die starken SPÖ-Bezirksergebnisse auf Ebene der Gemeinderatswahlen. Gerade in den grünen Hochburgen Neubau (plus 2,5 Prozentpunkte) und Josefstadt (plus drei Prozentpunkte) hätte man die größten Zugewinne gehabt. Man sei jedenfalls breit genug aufgestellt: „Wir sind eine Volkspartei und eine progressive Partei in einem.“
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