Sparen bei Autopsien hat "mörderische Folgen"

Die Anzahl der Autopsien ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken.

Ist der Staat an der Aufklärung von Mordfällen nicht interessiert? Diese Frage drängt sich mit einem Blick auf die seit Jahren sinkenden Zahlen an Obduktionen auf. Immer seltener wird der genauen Todesursache nachgegangen. Das hat "tödliche" Folgen: Je weniger Obduktionen es gibt, desto größer ist die Dunkelziffer bei Mordfällen.

Zu den Fakten: Seit 1990 verringerten sich die Leichenöffnungen von 34,2 Prozent auf derzeit 17 Prozent - und dies bei rund jährlich 75.000 Sterbefällen (Quelle: Lehrbuch forensische Medizin für Studium und Praxis, 2. Auflage).

Der alarmierende Trend bereitet heimischen Kriminologen und Gerichtsmediziner Kopfzerbrechen. Ein Grund für die immer seltener werdenden Autopsien ist für Walter Rabl, dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Gerichtliche Medizin, ein "falsch verstandener Spargedanke". Schlichter gesagt: Immer seltener besteht die Justiz darauf, den Sterbevorgang genau zu rekonstruieren. "Es tauchen immer wieder Fälle auf", erzählt er. So entpuppte sich auf Rabls Seziertisch etwa ein offiziell an einem Herztod gestorbener Mann als Mordopfer.

Als Faustregel gilt übrigens: Je älter ein Toter ist, desto seltener werden Leichenöffnungen angeordnet. Seriöse Schätzungen, wie hoch die Zahl an ungeklärten Mordfällen ist, gibt es nicht.

"Grundrecht"

"Für die Hinterbliebenen ist es oft immens wichtig zu wissen, woran ihr Verwandter gestorben ist", erzählt der Gerichtsmediziner. Das sagt Katharina Beclin vom Wiener Institut für Strafrecht und Kriminologie: "Es wird sicher viel übersehen", glaubt auch sie. "Es sollte ein Grundrecht sein, dass fragwürdige Fälle untersucht werden."

Da es an österreichischen Studien mangelt, muss sie auf Untersuchungen aus Deutschland zurückgreifen. Demnach, sagt Beclin, seien in der Bundesrepublik in den 90er-Jahren 13.000 Todesfälle nachträglich gerichtsmedizinisch untersucht worden. "Bei 800 wurden Hinweise auf Mord oder Totschlag gefunden."

Der Sparwille ist Rabl zufolge nicht der einzige Grund für die Abnahme der Autopsien. Generell ortet der Mediziner, dass man "ein falsches Bild" von Obduktionen habe. "Das ist keine Metzgerei." Und ein allgemeines Unbehagen: "Die Menschen tun sich schwer, mit dem Tod umzugehen."

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