So lehrreich kann der Fußball in Wien sein
Gegen 16 Uhr steckt Karl Katterbauer das Spielfeld der U8 ab. Seit der Saison 2022/’23 spielen die Unter-Achtjährigen laut Vorgabe des ÖFB auf einem Feld, das 29 Meter lang und 22 Meter breit ist. Dann stellt der Trainer vier kleine Tore für das Spiel auf – jedes ist 120 Zentimeter breit und 75 Zentimeter hoch.
Es ist die Ruhe vor dem Sturm auf dem Fußballplatz an der Kirschenallee in Essling. Nur 15 Minuten später wurlt es vor und in den Umkleidekabinen.
Egal, ob U6, U7, U8, U9 oder U10 – alle haben nur eines im Sinn: Loslaufen und mit der Kugel am Fuß ihren großen Vorbildern bestmöglich nacheifern.
Ganz die alte Schule
Das Schuhwerk und auch die Frisuren der jungen Esslinger orientieren sich extrem an den Vorbildern der Ball-Millionäre. An der Technik muss naturgemäß noch gefeilt werden.
Dafür gibt es aber auch Typen wie den gelernten Nachrichtentechniker Karl Katterbauer. Der ist – man glaubt es kaum – 62 Jahre älter als die Kinder, die er jetzt in einer Zweier-Reihe auf den Platz führt.
Vor Jahrzehnten schon hat der erfahrene Trainer im Esslinger Nachwuchs selbst das Fußballspielen erlernt. Später war er viele Jahre Schiedsrichter, dann Jugendtrainer und Jugendleiter in Groß-Enzersdorf, in Essling und Stadlau.
Auch schon seit 2005 arbeitet Karl Katterbauer im Jugendausschuss des Wiener Fußball-Verbands mit, seit 2019 als dessen Obmann. In dieser ehrenamtlichen Funktion hat er vor zwei Jahren auch an der Umstellung auf das neue Regulativ für die 5- bis 13-Jährigen mitgewirkt (siehe rechts oben).
Wer nicht spurt, muss mit einem lauten Wort des Trainers rechnen. Ganz die alte Schule, dabei aber auch noch lernfähig: „Mein Freund Zwetschkenkrampus habe ich mir abgewöhnt.“ Warum? „Da gab es Kritik vonseiten der Eltern.“
Andererseits wird jenen Eltern, die in ihren Kindern Alabas oder Messis sehen und dabei in ihrem Ehrgeiz die Sachlage verkennen, durch die neuen Regeln ein Riegel vorgeschoben: Bis zur U13 tragen alle Teams (Buben, Mädchen, Mixed) keine beinharten Meisterschafts-, sondern einzig Freundschaftsspiele aus.
Die Achtjährigen von Karl Katterbauer spielen beim Training so wie beim Match drei gegen drei auf insgesamt vier kleine Tore ohne Tormann. Der Coach achtet genau darauf, dass alle zwanzig Schützlinge zum Einsatz kommen, und dass nicht die technisch und körperlich Limitierten auf der Ersatzbank die Lust an der aktiven Sportausübung für immer verlieren.
Die Leiden des Karl K.
Weniger Freude als seine Arbeit auf dem Sportplatz bereitet dem Verbandsfunktionär der allgemeine Rahmen für die in Wien Fußball spielenden Kinder. Katterbauer macht das an einem konkreten Beispiel fest: „Da bauen sie bei uns in der Nähe die Seestadt auf, in die bereits Tausende Kinder eingezogen sind, und dann gibt’s dort keinen einzigen Fußballplatz.“
Schon länger tut es dem Fußball-Pädagogen in seinem Herzen weh, wenn er wieder Kinder mit ihren Eltern wegschicken muss, weil weder in der Kabine noch auf den beiden Spielfeldern Platz für sie ist.
Die Kritik vonseiten des Wiener Fußball-Verbands ist nicht neu: Während die Stadt Wien zuletzt deutlich gewachsen ist, wurde kein einziger neuer Platz für den Breitensport errichtet.
Berichte aus anderen europäischen Großstädten, in denen es an Sporteinrichtungen für Kinder nicht mangelt, werfen in der Tat die Frage auf, inwieweit der Titel „Sportstadt“ für Wien noch berechtigt ist.
Karl Katterbauer weiß, dass sein Aktionsradius an Grenzen stößt. Er freut sich daher, dass alle Kinder auch heute ihre Energien ausleben konnten und das eine oder andere fürs Leben heim nehmen können.
Teamgeist, Fairness, Selbstbewusstsein: Auch er hat einiges davon beim Fußball gelernt. Das Lachen der Kinder zeigt ihm am Ende des Trainings auch an: Sein Job zahlt sich aus.
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