Sigmund Freuds Wohnung ist ein "Museum der Leerstellen“

Sigmund Freuds Wohnung ist ein "Museum der Leerstellen“
Künftig werden auch die Privaträume des Begründers der Psychoanalyse zugänglich sein.

Mann muss kein Psychoanalytiker sein, um die Berggasse 19 zu kennen: Die Adresse ist so etwas wie eine Pilgerstätte für Freunde von Sigmund Freud. Knapp fünf Jahrzehnte lebte und arbeitete der Begründer der Psychoanalyse hier, bis er 1938 vor den Nationalsozialisten ins Londoner Exil floh.

Just zu seinem 80. Todestag heute, am 23. September, steht man in der Berggasse 19 vor verschlossenen Türen, genauer gesagt vor einer Baustelle. Seit März wird das Haus, in dem seit 1971 das Freud Museum untergebracht ist, renoviert. „Wände werden Schicht für Schicht abgetragen, auf der Suche nach Originalspuren“, sagt Direktorin Monika Pessler.

2006 hat die Stadt Wien das Haus der Sigmund Freud Stiftung geschenkt, die es jetzt mit Hilfe von öffentlichen Geldern, Sponsoren und Unterstützern um knapp vier Millionen Euro renoviert. Unter anderem wird ein zweites Stiegenhaus gebaut, da sich im alten oft die Besucher (rund 110.000 im Jahr) stauten. Nicht immer zur Freude der anderen Hausbewohner. „Das alte Stiegenhaus bleibt aber in seiner Atmosphäre erhalten“, betont Pessler. Das einstige Wartezimmer der Praxis wird nach Erinnerungen von Freuds Haushälterin Paula Fichtl und alten Fotos rekonstruiert.

Mit der Wiedereröffnung im Mai 2020 werden erstmals auch die Privaträume der Familie Freud öffentlich zugänglich sein. Bisher waren diese bewohnt.

Keine Couch

Wer glaubt, in der Berggasse ein Selfie vor der berühmten Couch machen zu können, täuscht sich. Diese steht im Museum in London, so wie der Großteil von Freuds Nachlass. „Wir haben das Haus, sie haben den Inhalt“, sagt Pessler. „Wir sind ein Museum der Leerstellen. Diese zu zeigen, gehört zur schonungslosen Offenlegung der Vergangenheit.“ Zur Geschichte des Hauses gehört auch, dass hier in der Nazi-Zeit jüdische Familien auf engsten Raum zusammengepfercht lebten. Allein in Freuds Wohnung und Praxis waren es 31 Menschen.

Bis zur Wiedereröffnung der Berggasse 19 werden Teile der Ausstellung – etwa private Filmaufnahmen – an zwei Ausweichquartieren in unmittelbarer Nähe gezeigt.

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