"Schwimmwandern": Wenn Beamte baden gehen

"Schwimmwandern": Wenn Beamte baden gehen
Stefan Vetter hat ein skurriles Hobby: Er schwimmt oft 3000 Meter in der Alten Donau vom Büro nach Hause. Wieso bloß?

Jeden Donnerstag, gegen 15 Uhr, schaut Dr. Stefan Vetter auf seine Armbanduhr. Denn es ist wieder Zeit – Zeit für ein höchst ungewöhnliches Hobby. Vetter räumt dann seinen Schreibtisch im Lebensministerium bei der Urania zusammen, er schnappt seinen großen schwarzen Rucksack mitsamt knallroter Rettungs­boje und macht sich auf den Weg zur Alten Donau. Ein Mal wöchentlich, zwischen Mai und September "und wenn das Wetter passt", schlägt der 48-jährige Spitzenbeamte in Neoprenanzug und mit Flossen an den Füßen einen eigenwilligen Nachhauseweg ein: Er schwimmt drei Kilometer durch die Alte Donau. "Das ist die Zeit, die ich ganz für mich habe", sagt der Döblinger.

Vetter steht auf einem kleinen Anlegesteg im 22. Bezirk. Drei Kilometer, die er durch das stehende Gewässer krault, liegen noch vor ihm. Sein Weg wird ihn vorbeiführen an einem Bootsverleih, weiter zum Klein­gartenverein Strandkolonie, hin zum Arbeiterstrandbad und unter einer kleinen Brücke hindurch, bis er eineinhalb Stunden später, Zug um Zug, das Floridsdorfer Restaurant Seepferdchen erreicht.

Ordnung muss sein

"Schwimmwandern": Wenn Beamte baden gehen

Doch was bewegt den studierten Biologen, der sich in seiner Dienstzeit mit der Förderung europäischer Spitzenforschung wie dem Einfluss von Entwurmungsregimen auf die Milchleistung von Ziegen oder mit der Frage nach möglichen Pansenpuffern in der Stiermast beschäftigt, dazu, in voller Montur durch die Alte Donau zu kraulen? "Erstens, es ist mein’s", sagt Vetter, während er sich in seinen hautengen Neoprenanzug quält. Kurz zuvor hat er seine Bürokleidung or­dentlich zusammengelegt und in einer wasserdichten Schwimmtasche verstaut. Handy, Geldbörse und Ausweise kommen in einen leeren Joghurtbecher. Der Joghurtbecher kommt in einen Plastiksack. "Und zweitens zeigt es mir, dass es alternative Heimwege gibt, und dass Alternativen im Leben möglich sind." Ausgetretene Pfade sind Vetters Sache nicht – beruflich wie privat.

Sein Hobby, das in Wien kein Mensch kennt, ist in Bayern oder Großbritannien sehr beliebt: "Bei den Briten ist Swimtracking, bei den Bayern Seenwandern sehr populär", betont Vetter, als sei er es gewohnt, dass niemand seine Leidenschaft teilt. "Nur hier werde ich gefragt, ob ich verrückt bin."

Im Urlaub reist der Wiener immer wieder durch Österreich. Er schwamm bereits durch den Toplitzsee, durch den Grundlsee und durch den Hallstätter See. Die Wälder, die die Gewässer umgeben, durchquerte er mit Wanderschuhen – die Flossen auf den Rücken geschnallt. "Ich nenne es schwimmwandern – eine Mischung aus schwimmen und wandern eben."

Weltbekannt in Floridsdorf

"Schwimmwandern": Wenn Beamte baden gehen
IM WASSER: Wer gerne schwimmt, schnorchelt und neue Strände entdeckt, kann dies nun in einer neuen Sportart vereinen: Seatrekking. Dabei wird das Gepäck in einem wasserdichten Rucksack verstaut, mit dem man an der Küste entlang von einem Strand zum nächsten schwimmt und dort unter freiem Himmel übernachtet. (Bild aus dem KURIER-Artikel Schwimmwandern)

Und während also Felix Baumgartner mit seinem Stratosprojekt weltweit für Schlagzeilen sorgt und Herbert Nitsch in Griechenland versucht, ohne Luft in tiefste Tiefen abzutauchen, krault Vetter gemächlich durch die Alte Donau – und sorgt damit für staunende Tretbootfahrer zwischen Donaustadt und Floridsdorf. "Wegen der Tretbootfahrer trag ich übrigens auch einen Raftinghelm. Zwei Kollisionen sind mir schon passiert", sagt er. Die kleine rote Pfeife, die für Notfälle an seinem Handgelenk baumelt, habe er aber noch nie gebraucht, sagt Vetter, ehe er die ersten Züge Richtung Seepferdchen davonkrault.

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