Säbelrasseln in der Studentenbude

Der Gemeinschaftsraum der Liberten in Wien-Neubau.
Heuer tanzen die "Liberten" beim FPÖ-Akademikerball voraus. Ein Video soll mehr Menschen für Burschenschaft begeistern.

In Wien-Neubau, umgeben von Trendlokalen und Öko-Boutiquen, steht recht unauffällig ein Altbau mit zwei Stockwerken. Auf den ersten Blick fällt nur die Eingangstür ins Auge, weil sie mit allerlei Sicherheitselektronik ausgestattet ist. Hinter dieser Tür lebt mitten im grünen Bobo-Bezirk eine Handvoll schlagender Burschenschafter der Verbindung "Libertas".

Die Liberten waren bereits Ende der 1870er-Jahre die erste Verbindung, die Juden die Aufnahme verwehrte. Im Dritten Reich wurde sie laut eigener Darstellung aufgelöst, weil die Liberten als "zu elitär" galten. "Freiheit, Ehre, Vaterland ist unser Prinzip", sagt der derzeitige Obmann des Wiener Korporationsrings Gernot Huber, heuer zugleich ein Schirmherr beim umstrittenen FPÖ-Akademikerball.

Erst auf Nachfrage zeigt Huber eine kleine Narbe an seiner linken Wange, das Überbleibsel einer Mensur. "Schlagend ist ein Ausdruck, den wir nicht gerne verwenden. Es heißt fechtend, und wir sind nicht stolz auf die Narben. Aber das gehört einfach zur Mensur dazu. Das ist keine Sportart, kann aber ganz grob mit einer Art Extremsport verglichen werden", sagt Huber. Er führt den KURIER durch enge Gänge, geschmückt mit Säbeln und Burschenschafter-Devotionalien aus vergangenen Tagen.

Im Gemeinschaftsraum sitzt Felix Mayrbäurl. Der 23-Jährige studiert an der Technischen Universität. Auch er hat schon Mensuren gefochten, trainiert dafür täglich eine Stunde. Warum er sich für diesen Lebensstil entschieden hat? "Man lernt viel fürs Leben, das man nur über die Uni nicht mitbekommen würde. Durch das Fechten lernt man persönliche Grenzen kennen", sagt Mayrbäurl. Als einzig Schlagender passt er nicht ins Familienbild. Auch Mayrbäurls Mutter war skeptisch, als ihr Sohn "Liberte" wurde.

Werbevideo

Persönliche Anfeindungen ob seines Bekenntnisses sind ihm nicht fremd. In der Wiener Innenstadt wurde Maybäurl mehrfach attackiert.

"Die Liberten kämpfen seit jeher mit Gegenwind. Deshalb ist anfänglich auch der Reiz und Neugier dabei. Das ist aber nicht der Grund, warum man bleibt. Und man hinterfragt sich durchaus selbst immer wieder, ob man sich mit der Burschenschaft identifiziert", sagt Mayrbäurl. Politisch wollen sich die jungen Männer nicht in die Karten schauen lassen, eine Burschenschaft sei prinzipiell ohne bestimmte politische Ausrichtung. Es werde aber viel darüber gesprochen. Die Männer sind auch politisch aktiv – nicht nur in der FPÖ. Auch in der ÖVP und SPÖ seien einige Burschenschafter engagiert.

Über Nachwuchsprobleme klagen die rund 20 schlagenden Verbindungen in Wien nicht öffentlich. Trotzdem hat man ein Werbevideo produziert, das am Montag veröffentlicht wird.

Imagekampagne

Der Trailer liefert Erwartbares. Martialische Hintergrundmusik und Bilder, wie der Säbel vor der Universität Wien. Der Film liefert dazu die "Idylle": Burschenschafter, die einem Kameraden nach dem Uni-Abschluss gratulieren, und Szenen, in denen gemeinschaftlich gesungen und gelernt wird.

Dass diese Werbung Kritiker auf den Plan ruft, liegt in der Natur der Sache: "Das Video ist offenbar ein Versuch, kommunikatorisch aus der Defensive zu kommen und den Außenrepräsentationen, die sie gemeinhin als böswillig entstellend wahrnehmen, eine Darstellung nach eigenem Geschmack entgegenzusetzen", sagt Rechtsextremismus-Forscher Bernhard Weidinger.

Und auch wenn die Liberten das Gegenteil behaupten: Die Probleme, neue Burschenschafter zu finden, seien seit Jahrzehnten chronisch.Trailer auf kurier.at/chronik

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