Gegenwind für Rot-Pink mit blauer Provokation und grüner Aufmüpfigkeit

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Die Grünen sind lauter als zuvor, die FPÖ spielt ihre wiedergewonnene Stärke aus, und die ÖVP hat die Findungsphase nach dem Wahldebakel überstanden.

Die ersten 100 Tage von Rot-Pink haben naturgemäß auch die ersten 100 Tage Opposition mit sich gebracht, die ebenfalls nicht gerade ruhig in die neue Legislaturperiode gestartet ist.

Die Wiener Grünen hatten es etwa schon im Wahlkampf angekündigt: Sie wollen lauter und mutiger sein. Das wollten sie zwar als Regierungspartei umsetzen, nachdem die SPÖ sich jedoch abermals für die Neos als Juniorpartner entschieden hat, sind sie nun als Oppositionspartei auffällig. 

Dass die angekündigten Teuerungen auch das einstige grüne Prestigeprojekt, das 365-Euro-Öffi-Ticket, betrifft, ist natürlich eine Steilvorlage für das Führungsduo Judith Pühringer und Peter Kraus

Eine Petition für den Erhalt des günstigen Tickets ist, inklusive Unterschriftenaktionen in ganz Wien, am Laufen, ein Sondergemeinderat ist beantragt, der noch im September über die Bühne gehen wird.

Die von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bereits genannten Details zur Verschärfung der Mindestsicherung werden von den Grünen ebenfalls nicht goutiert. „Bei armutsbetroffenen Kindern zu sparen ist herzlos und zukunftsvergessen“, gab man via Aussendung bekannt.

Blaues 3-Säulen-Modell

Von der Wiener FPÖ hagelte es ebenfalls umgehend Kritik an der Mindestsicherung – allerdings, wenig überraschend, diametral entgegengesetzt zu jener der Grünen. „Anstatt einer echten Reform handelt es sich lediglich um ein Miniförmchen bei der Wohnbeihilfe“, sagte der blaue Parteichef Dominik Nepp und echauffierte sich über das „unfaire System, das ungeniert aufrechterhalten“ werde.

Die Blauen, das ist jetzt schon nach wenigen Wochen klar, werden für die Regierenden noch unangenehmer werden als in den vergangenen fünf Jahren. Mit dem Wahlergebnis im Rücken – sie haben sich von sieben auf etwas über 20 Prozent verdreifacht – spielen sie die wiedergewonnene Stärke voll aus. Und das wohl nach einem Drei-Säulen-Modell.

Dominik Nepp mit Kristin Brinker von der Berliner AfD beim Händeschütteln

Die FPÖ setzt auf altbekannte Themen und auf Provokation: Hier Dominik Nepp mit Kristin Brinker von der Berliner AfD. 

Erstens: die klassischen FPÖ-Themen mit altbekannter Diktion – etwa das Einsetzen für „fleißige österreichische Staatsbürger“ und nicht für „Asylanten-Großfamilien“. Angereichert allerdings mit einer Annäherung an die Wirtschaft; mit Kompetenz in diesem Bereich wollen auch SPÖ und ÖVP reüssieren.

Als zweite Säule setzen die Blauen auf Bezirksarbeit. Ihr Kampfgebiet dürften sie dabei ausgeweitet haben. Im Wahlkampf waren das etwa Simmering und Floridsdorf; neuerdings ist ein großer Einsatz in Meidling bemerkbar, zum Beispiel rund um die Flächenwidmungswirren am Khleslplatz.

Was bei der FPÖ auch niemals fehlt, ist – dritte Säule – die reine Provokation. Darunter fällt die im Juli bekanntgewordene Kooperationsvereinbarung mit der Berliner Alternative für Deutschland (AfD), die vom deutschen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Realpolitisch hat das bisher keine Auswirkungen.

Neuaufstellung der ÖVP

„Wir begrüßen auch die ÖVP in der neuen Legislaturperiode“, wurde am Dienstag hinter vorgehaltener Hand beim politischen Mitbewerb geätzt. Der Grund: Am vorangegangenen Montag hatten die Türkisen die erste offizielle Pressekonferenz abgehalten und sich dabei um die Stadtfinanzen gesorgt.

Wiens ÖVP-Chef Markus Figl mit Wanderrucksack in einer Menschenmenge.

Der neue ÖVP-Chef Markus Figl hat bei Wanderungen seinen Blick auf Wien erweitert und will mit Sachpolitik punkten. 

Ganz fair ist das Ätzen natürlich nicht. Die ÖVP hat in den vergangenen Wochen schließlich auch nicht mit Presseaussendungen gegeizt und Hintergrundgespräche organisiert. Zudem musste sie sich, nachdem sie auf unter zehn Prozent abgestürzt war, neu organisieren. Landesparteiobmann Markus Figl ist der neue Mann an der Spitze und hat einen weniger expressiven Politstil als sein Vorgänger Karl Mahrer

Bei der Themensetzung liegen Bildung und ebenfalls die Wirtschaftstreibenden im Fokus. Den Sommer über hat Figl zudem auf Wandertage geladen, um nach eigener Aussage neue Perspektiven auf die Stadt zu gewinnen. Der Landesparteiobmann war bisher (und ist es immer noch) als Bezirksvorsteher der Inneren Stadt schließlich für einen kleineren Teil Wiens zuständig.

Rot-Pink kann sich mit drei Parteien, die an Stärke oder mehr zu sich selbst gefunden haben, jedenfalls darauf einstellen, mehr Gegenwind zu bekommen als in der vergangenen Legislaturperiode.

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