Prozess: Raddieb als Berufsmodell

Prozess: Raddieb als Berufsmodell
140 Einbruchsdiebstähle wurden einem 42-Jährigen vorgeworfen. Seine Beute verkaufte er auf Flohmärkten in Serbien

Mehr als 22.000 Fahrräder werden jährlich in Österreich gestohlen. Einige davon landen auf Flohmärkten in Serbien. Etliche Jahre hat sich so zumindest der mittlerweile 42-jährige Herr M., ein gebürtiger Serbe, der in Wien wohnt, seinen Lebensunterhalt verdient.

Rennräder und Persil

Er brach in Kellerabteile ein, nahm dort vor allem Fahrräder und Ski mit. Darunter Tausende Euro teure Rennräder. Und wenn sich die Gelegenheit ergab, packte er auch Werkzeug, Maschinen oder Waschmittel ein.

140 derartige Einbrüche wirft ihm die Staatsanwältin am Montag im Landesgericht für Strafsachen vor. Doch die Technik streikt. Die Übertragung via Video aus der Justizanstalt Josefstadt gestaltet sich recht einseitig – zumindest beim Ton. Ein genervter Justizwache-Beamter aus dem Off bringt es auf den Punkt: „Das ist alles Scheiße!“, flucht er zur Erheiterung derjeniger, die auf der anderen Seite der Leitung sitzen und sehr wohl hören.

Ein Druck auf den richtigen Knopf allerdings löst das Problem. Und plötzlich ist auch Herr M. zu hören. „20 bis 25 Einbrüche“ gibt er zu. Das sind allerdings nur die, bei denen auch DNA-Spuren von ihm gesichert wurden.

Doch es gibt Indizien für weitere Taten – etwa bei einem Wohnungseinbruch. Zwei Einbrecher wurden damals von einem jungen Pärchen ertappt. „Es war eine Silvesternacht. Wir wollten uns nur kurz etwas aus der Wohnung holen. Da haben wir gemerkt, dass die Wohnungstür offen steht“, schildert die junge Frau vor Gericht. Die Einbrecher nahmen Reißaus, das Pärchen lief hinterher. Nach einer kurzen Rangelei waren die Einbrecher allerdings weg.

Ob Herr M. einer der Täter war? „Ich habe ihn dünner in Erinnerung. Und jünger“, sagen die Zeugen.

Das wertet Anwalt Mirsad Musliu als besten Beweis zur Entlastung seines Mandanten. Und Herr M. selbst will mit dem Wohnungseinbruch ohnehin nichts zu tun haben. „Auf dem Einbruchswerkzeug waren Ihre DNA-Spuren“, stellt der Richter klar. Herr M. hat dafür eine verblüffende Erklärung: Er hat zwei – ebenfalls kriminelle – Brüder. Das Werkzeug lag bei seinem Vater, bei dem auch Herr M. wohnte. Und es könnte durchaus sein, dass sich einer seiner Brüder das Werkzeug für den Einbruch genommen hat.

Familienbande

Immer wieder bekomme Herr M. wegen seiner kriminellen Brüder Probleme, beschreibt Anwalt Musliu. „Weil es immer wieder zu Verwechslungen kommt. Der Bruder hat schon zehn Vorstrafen.“ Auch deshalb habe Herr M. vor Kurzem seinen Nachnamen ändern lassen.

Herr M. hat tatsächlich nur eine Vorstrafe. Seither, beteuert er, sei er geläutert. Die Dolmetscherin bekommt einen Hustenanfall. „Das ist nur Raucherhusten!“, stellt sie im Corona-Notbetrieb klar.

Bei der Urteilsverkündung fehlen dem Richter mit Mundschutz beinahe die Worte. „Entschuldigung, Sauerstoffmangel“, erklärt er nach einem kurzen Aussetzer. Herr M. bekommt eine Zusatzstrafe von sechs Monaten unbedingt. Dazu kommen die 18 Monate der Vorstrafe – unterm Strich also 24 Monate. Rechtskräftig.

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