Missbrauch: Wiener Lehrerin "erlebte Martyrium“
Der Prozess gegen sieben Angeklagte geht ins Finale
Der Verhandlungssaal 303 im Landesgericht für Strafsachen ist am Montagmorgen brechend voll. Absperrbänder sollen Journalisten daran hindern, in den Saal zu fotografieren – wie vor einer Woche beim Prozess im Fall Anna.
Die Justizwache bringt sieben junge Burschen zwischen 14 und 17 Jahren in den Saal. Die Hauptangeklagten – ein 15-jähriger Iraker, ein 17-jähriger Rumäne und ein 15-jähriger Afghane – müssen sich wegen Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch und schwerer Erpressung verantworten. Sie befinden sich derzeit in U-Haft.
Der Fall hatte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Ausgangspunkt war damals im April 2024 das Verhältnis des mutmaßlichen Opfers – der Lehrerin – mit einem ehemaligen Schüler, der mit einem der Hauptangeklagten befreundet ist.
In dem Prozess um eine missbrauchte Pädagogin sind vier Verhandlungstage angesetzt. Drei der Angeklagten befinden sich in U-Haft.
"Sexuell selbstbestimmt"
Der damals knapp 16-Jährige hatte der Pädagogin auf Instagram geschrieben, sie tauschten mehrere Nachrichten aus. „Sie hat mich dann gefragt, ob ich sie von einer Bar abhole, dann sind wir zu ihr nach Hause gefahren“, schildert der heute 17-Jährige. Dort kam es zu einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. „Dieser Umstand ist strafrechtlich nicht von Relevanz“, erklärt die Staatsanwältin.
Der Jugendliche sei zwar minderjährig, aber „sexuell selbstbestimmungsfähig“ und mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden gewesen. Die Lehrerin habe den 16-Jährigen auch nicht mehr unterrichtet, „es war also auch kein Autoritätsverhältnis mehr vorhanden“, so die Staatsanwältin. Es kam zu sieben, acht Treffen zwischen den beiden. Laut Gabriela Jesacher-Hrabec, Verteidigerin des 17-Jährigen , habe es sich dabei um eine „romantische Beziehung“ gehandelt. Ihrem Mandanten wurde lediglich Bedrängnisdiebstahl vorgeworfen.
Im Mai des Vorjahres brachte der Angeklagte auch seine Freunde mit in die Wohnung der Lehrerin. „Sie wollte, dass ich zu ihr komme. Ich habe gesagt, dass ich mit meinen Freunden unterwegs bin. Da hat sie gesagt, dass die ja mitkommen können“, schildert der junge Bursche vor Gericht. Laut Staatsanwaltschaft wurde in der Wohnung gefeiert und Alkohol getrunken. Nachdem die Hauptangeklagten von dem Verhältnis ihres Freundes und der Lehrerin erfuhren, setzten sie diese laut Anklage massiv unter Druck.
Sexueller Übergriff auf Balkon
Sie sollen damit gedroht haben, die Beziehung öffentlich zu machen. Die Pädagogin fürchtete um ihren Ruf an der Schule sowie ihrer sozialen Stellung. Im September 2024, zu Schulbeginn, ließ sich die Frau aufgrund ihrer psychischen Belastung krankschreiben. Die Beziehung zwischen der Lehrerin und dem 17-Jährigen war zu diesem Zeitpunkt bereits vorbei, die Hauptangeklagten bedrängten die Frau aber weiter. Auf dem Balkon ihrer Wohnung soll es laut Staatsanwaltschaft im November zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein, der teilweise gefilmt wurde.
Auch Polaroid-Fotos wurden an einem Abend gemacht. „Damit war die Drohkulisse vollkommen“, so die Staatsanwältin. Aus Angst, die Fotos und Videos würden verbreitet werden, stellte die Pädagogin den Jugendlichen gezwungenermaßen ihre Wohnung zum Feiern zur Verfügung, zahlte Taxifahrten und Essen.
Die Rechtsvertreterin der Lehrerin spricht von einem Martyrium, das ihr zugefügt wurde.
"Liesinger Gang"
Die Frau wurde wohl weiters dadurch eingeschüchtert, dass einige der Burschen der „Liesinger Gang“ angehörten, einer Jugendbande aus 70 bis 80 Personen. Die Jugendlichen selbst würden diese Gruppe aber nicht so bezeichnen, betonte einer der Angeklagten. Man sei keine kriminelle Organisation, man treffe sich halt so, zum Eisessen zum Beispiel. Der Frau gegenüber berichteten die Burschen hingegen von einigen Straftaten, die sie bereits begangen hätten.
In ihren Einvernahmen gaben die Hauptangeklagten an, der Sex mit der Lehrerin sei einvernehmlich gewesen. Der 15-jährige Iraker gab an, Geld von ihr geklaut zu haben. „Ihr ging es immer nur um Sex, mir ums Geld“, sagte er. Geständig zeigte er sich zum Einbruch in die Wohnung der Frau sowie zur Brandstiftung. Die Wohnung der Frau brannte komplett aus, nachdem sich die Jugendlichen mit einem Nothammer Zugang verschafft und Wertgegenstände mitgehen ließen.
Die Frau leidet heute an einer chronischen Depression und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der Prozess ist auf vier Tage anberaumt, das Urteil wird am 20. Oktober erwartet.