Eltern entführten eigenen Sohn und flüchteten quer durch Europa

Die Eltern kämpfen darum, ihren Sohn zurückzubekommen - bisher auf verlorenem Posten.
Bub wurde ihnen abgenommen und soll bei Pflegefamilie gelitten haben. Prozess um Panikreaktion.

Der 45-jährige F. und seine 33-jährige Lebensgefährtin gerieten spätabends bei einer Tankstelle in der Nähe ihrer Wiener Wohnung leicht alkoholisiert aneinander. Zeugen holten die Polizei, diese hielt bei dem Paar daheim Nachschau und fand dort den gemeinsamen knapp einjährigen Sohn und die 13-jährige Tochter der Frau schlafend vor. Tags darauf war schon das Jugendamt – bei Kindesmissbrauch bisweilen nicht so schnell aktiv – zur Stelle und nahm den Eltern den Buben ab.

Als sie ihren Sohn eine Woche später wiedersehen durften, habe er sie nicht mehr erkannt, sagen die Eltern. Und auch der Bub sei kaum wiederzuerkennen gewesen: "Er war eiskalt, apathisch, wie auf Drogen", erzählt Vater F.: "Ich hab’ ihn hoch gehoben: ,Schatzi, Papa ist da‘, hab’ ihm sein Lieblingslied vorgesungen, aber der war total weg." Er habe Beulen am Hinterkopf und rote Flecken am Körper gehabt. Die Pflegemutter, bei der das Kind untergebracht war, habe berichtet, der Bub sei brav und schlafe den ganzen Tag. Das kennt der Vater anders: "Er war immer sehr aktiv, wir haben viel unternommen, der schläft nicht den ganzen Tag."

Da hätten sie die Panik bekommen, sagen die Eltern, und das eigene Kind entführt. Das war im Juni dieses Jahres. Die Flucht dauerte über zwei Monate, ging nach Deutschland, Frankreich, Tschechien. Die Polizei fahndete nach Eltern und Kind, auch mit Handyortung. Anfang September wurden sie gefasst. Der Sohn kam zu einer anderen Pflegefamilie – seine Eltern haben ihn bis heute nicht mehr gesehen. Sie erfuhren nur, dass er in der Steiermark lebt und zogen nun in dieses Bundesland, um wenigstens in der Nähe zu sein.

Nicht so schlimm

Die "Entziehung des Unmündigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten" (Jugendamt), wie das Delikt heißt, brachte die von Roland Friis verteidigten Eltern am Donnerstag vor den Richter. "Eigentlich müssten andere auf der Anklagebank sitzen", sagt F. Er habe zur Fürsorgerin gesagt: "Sehen Sie das nicht?", als er den Zustand seines Sohnes bemerkt habe. Aber diese habe abgewunken: "Das ist ja nicht so schlimm."

Saubere Fingernägel waren der Pflegemutter besonders wichtig; jene des Buben seien schwarz gewesen, als sie das Kind übernommen habe, erinnert sie sich als Zeugin. Die Eltern sagen, sie hätten beim Wiedersehen entsetzt festgestellt, wie kurz abgeschnitten sie gewesen wären. Dabei lasse sich der Bub die Nägel ungern schneiden, der Vater habe ihn immer ablenken müssen, wenn die Mutter das erledigt habe.

Richter Stefan Romstorfer konnte das Motiv nachvollziehen und ließ es bei einer Diversion bewenden: je 100 Stunden gemeinnützige Arbeit statt Verurteilung. Wann die Eltern den Sohn wiedersehen, ist weiterhin unklar.

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