Baby starb nach Hausgeburt: "Gebe Hebamme nicht die Schuld"

Zusammenfassung
- Hebamme wegen grob fahrlässiger Tötung nach einer misslungenen Hausgeburt angeklagt.
- Staatsanwaltschaft wirft der Hebamme vor, gebotene Handlungspflichten missachtet und Risiken nicht erkannt zu haben.
- Gutachterin bestätigt Versäumnisse, die zum Tod des Babys durch Sauerstoffmangel führten.
Der Verhandlungssaal 303 im Wiener Landesgericht für Strafsachen ist an diesem Montag bis auf den letzten Platz belegt, einige Zuhörerinnen und Zuhörer sitzen auf dem Boden. Unter ihnen sind viele Hebammen.
Sie alle wollen wissen, wie das Gericht den Fall rund um ihre Kollegin Margarete W. beurteilt. Die Staatsanwaltschaft warf der 42-Jährigen grob fahrlässige Tötung eines kleinen Mädchens vor. Die Angeklagte habe im Rahmen einer Hausgeburt „die gebotene Handlungspflicht“ außer Acht gelassen und dadurch den Tod des Babys bewirkt, hieß es im Strafantrag.
Diese Vorwürfe weist Margarete W. am Montag zurück. Für sie sei die Frau keine Hochrisikopatientin gewesen, erklärt sie. Das Alter der Schwangeren – 38 Jahre – sowie ein Kaiserschnitt bei ihrer ersten Geburt waren für die Hebamme kein Grund, eine Hausgeburt nicht durchzuführen.
Die werdende Mutter nahm im März 2023 Kontakt zu Margarete W. auf. Zunächst wollte sie mit einer Wahlhebamme in einem Krankenhaus gebären, doch sie fand keine. Also wandte sie sich an die freiberufliche Margarete W. – und entschied sich für eine Hausgeburt.
"In meinem Tempo"
„Mir war es wichtig, meine zweite Geburt in meinem Tempo anzugehen. Ich wollte für mich entscheiden. Bei der Geburt meines Sohnes wurde so viel über mich hinweg entschieden“, berichtet die Mutter vor Gericht. Zu Margarete W. hatte sie Vertrauen gefasst und entschieden, die Hausgeburt mit ihr durchzuführen.
Die Hausgeburt selbst sei aber laut Ansicht der Staatsanwaltschaft „weder planerisch noch durchführungstechnisch lege artis erfolgt“. Ärzte hätten der Mutter vielmehr von einer Hausgeburt dringend abgeraten. Im Zuge ihrer ersten Geburt im Jahr 2020 trat nämlich eine Schwangerschaftsdiabetes auf, zudem gab es Probleme mit der Plazenta und der Uterusstruktur der Frau – diese Faktoren hätten einen Kaiserschnitt notwendig gemacht.
"Krankenhäuser raten von Hausgeburten ab"
Ob sie diese Vorgeschichte nicht als Warnsignal verstanden habe, will der Richter wissen. „Die Krankenhäuser raten grundsätzlich fast immer von Hausgeburten ab“, antwortet die Hebamme. Tatsächlich kam es dann aber zu Komplikationen bei der Geburt. Die Hebamme alarmierte gegen 13.45 Uhr den Notarzt, die kleine Charlotte kam dann um 14.37 Uhr in einem Krankenhaus zur Welt.
Dort aber starb sie einige Tage darauf an den Folgen eines Sauerstoffmangels, offenbar verursacht durch die Plazenta-Unterentwicklung. Aus Sicht der Anklagebehörde sei die „Entscheidung zu einem Transport ins Krankenhaus zur ärztlichen Intervention weder zeit- noch sachgerecht“ getroffen worden.
„Die Verlegung erfolgte viel zu spät, der geeignete Zeitpunkt wäre um 11.30 Uhr gewesen“, sagt Barbara Maier, Sachverständige für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. In ihrem Gutachten kritisiert Maier, dass auch kein Zucker-Screening durchgeführt worden sei, obwohl durch die erste Geburt bekannt war, dass bei der Mutter Gestationsdiabetes aufgetreten war.
"Kind hätte überlebt"
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Kind überlebt hätte, wenn die Mutter bereits 20 Minuten nach Erkennen der Notsituation entbunden hätte“, betont Maier. Auch ein weiterer Sachverständiger, Universitätsprofessor Horst Steiner, ist „überzeugt, dass das Kind zu retten gewesen wäre“. Die Sachverständigen warfen der Angeklagten auch vor, keine Kardiotokografie durchgeführt zu haben – ein Verfahren zur Überwachung und Aufzeichnung der fetalen Herztätigkeit und der Wehen.
„Ich habe die Herztöne bei jeder Wehe abgehört, auch im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus“, kontert die Angeklagte, die mit ruhiger Stimme spricht. Eine Kardiotokografie bei Hausgeburten durchzuführen, sei nicht üblich, sagt sie.
"Prozess verläuft sehr einseitig"
Einige ihrer Berufskolleginnen im Saal nicken. In einer einberaumten Pause unterhalten sich die Hebammen vor dem Saal – mit Kritik wird nicht gespart. „Der ganze Prozess läuft sehr einseitig ab, da die Sachverständigen der Staatsanwaltschaft beide Ärzte sind. Auf den Blickwinkel der Hebammen wird nicht eingegangen“, sagt eine junge Frau. „Das zeigt, was unser Berufsstand für einen Wert hat“, entgegnet eine andere.
Der Richter befindet Margarete W. schließlich für schuldig und verurteilt sie zu 15 Monaten bedingter Haftstrafe, nicht rechtskräftig. Die Mutter des verstorbenen Babys bricht in Tränen aus. „Dass Charlotte es nicht geschafft hat, ist nicht Margaretes Schuld, sondern wegen meiner Plazenta.“
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