Prozess: Frau vor die U-Bahn gestoßen

Prozess: Frau vor die U-Bahn gestoßen
Ein Geisteskranker wollte eine Wien-Besucherin von Dämonen befreien. Die gerettete Frau fährt nun nicht mehr U-Bahn.

Eine 47-jährige Oberösterreicherin fuhr am 15. Oktober 2011 zum ersten Mal in ihrem Leben mit der U-Bahn. Und zum letzten Mal. An diesem Tag wollte sie ein geisteskranker Mann auf die Geleise stoßen. Eine Freundin konnte gerade noch das Schlimmste verhindern. „Ich fahre nie wieder U-Bahn“, sagt das geschockte Opfer.

Gemeinsam mit sieben anderen Frauen war die 47-Jährige damals auf Wien-Besuch. Die Gruppe fuhr mit der U1 in die City. Schon im Zug fiel den Damen ein Mann auf, der vor sich hin murmelte.

In der Station Stephansplatz stieg die Gruppe aus, auch der Mann verließ die Garnitur. Plötzlich packte er die Oberösterreicherin im Nacken, rief: „ Sie hat den Aids-Dämon, ich muss sie reinigen!“ und stieß sie vom Bahnsteig in den U-Bahn-Schacht.

Eine andere Frau aus der Reisegruppe griff ein und konnte die Attackierte am Mantel zurück auf den Bahnsteig ziehen, ehe die nächste U-Bahn kam.

Erbsünde

Der Mann glaubte, so stellt sich später heraus, in der Frau eine Bekannte wiedererkannt zu haben. Und er bildete sich ein, er müsse sie von der Erbsünde befreien.

Der 37-Jährige rannte aus der U-Bahnstation, ging in den Stephansdom, zündete dort eine Kerze an und wurde in der Kirche von der Polizei festgenommen. Er habe an dem Tag schon beim Frühstück das Gefühl gehabt, auseinandergerissen zu werden, sagte er den Beamten.

Am Freitag wurde der Fall im Wiener Landesgericht verhandelt – und der Mann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Man erfuhr, dass er Straßenmusiker war. Schon 2003 wurde eine paranoide Schizophrenie festgestellt und er bekam einen Sachwalter zugeteilt. Aber wahrscheinlich hat er die Wahnvorstellungen schon viel länger.

Der 37-Jährige hat Fotos von Bekannten verbrannt, um diese zu „reinigen“ und zu beschützen, berichtet der Gerichtspsychiater. Er weiß das aus der Krankenakte von diversen Aufenthalten des Mannes in der Psychiatrie.

„Verstrahlt“

Was auch noch bekannt ist: Der Mann mit dem Wahn hat keinerlei Krankheitseinsicht. Und seine Psychopharmaka, die man ihm verordnet hat, nimmt er nicht. Er bildet sich ein, sie seien „magnetverstrahlt“. Deshalb hat er am 15. Oktober in der U-Bahnstation „den Befehl erhalten“, zu tun, was er getan hat.

Ob er weiß, weshalb er vor Gericht steht? „Es geht um Mobbing“, sagt er. Die Frau habe ihn „deppert“ angeredet, sie habe „geätzt“. Da habe er „ein Exempel statuieren“ müssen.

Die Oberösterreicherin musste am Freitag für ihre Zeugenaussage ein zweites Mal nach Wien kommen. Auf öffentliche Verkehrsmittel hat sie diesmal verzichtet.

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