Protest gegen Zensur des Gefängnis-Journals

Streit um das Gefängnis-Journal in der Justizanstalt Wien-Mittersteig.
Artikel wird nicht veröffentlicht. Gefängnischef: Passt "nicht in Blattlinie".

Blickpunkte ist ein gut gemachtes und qualitatives Magazin: Gefertigt wird es in der Justizanstalt Wien-Mittersteig, die Redaktion obliegt Häftlingen, prominente Gastautoren publizieren regelmäßig darin. Die neueste Ausgabe mit dem Schwerpunkt "Opfer" hängt allerdings in der Warteschleife. Einer der Macher des laut Eigendefinition "Insassen- und Menschenrechtsmagazins", das eine Auflage von 800 bis 1000 Stück hat, spricht von "Zensur". Die nach mehreren Missständen in Justizanstalten unter Druck geratene Vollzugsdirektion würde die Produktion des Magazins verhindern.

"Gutachter-Unwesen"

Den Vorwurf erhebt Michael B., einer der Redakteure, der vergangenen Dienstag enthaftet wurde. Sein erster Gang in Freiheit war jener an die Medien. Der 36-Jährige sagt, seine Berichte würde in eine Reihe von Enthüllungen rund um die Missstände im Maßnahmenvollzug passen. Konkret geht es um seinen Artikel "Wenn Täter Opfer werden", in dem er "das Gutachter- und Richterunwesen transparent gemacht" habe. "Ich kann meine Recherche anhand von Gerichtsakten klar belegen." Der Bericht handelt unter anderem von mutmaßlichen Fehlgutachten. Wegen einer falschen Expertise, sagt B., sei auch er in der "Maßnahme" gesessen. Er sei zwar zu Recht wegen eines Gewalt-, allerdings zu Unrecht wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden.

Blickpunkte hat dieselben Strukturen wie große Verlage: Peter Prechtl, der Chef der Vollzugsdirektion, fungiert als Medieninhaber, der Anstaltsleiter als Herausgeber. Prechtl erklärt, er habe sich trotz privatem Haftungsrisikos dazu bereit erklärt, weil das "an sich ein gutes Projekt" ist. Der Chef der Gefängnisverwaltung macht gar keinen Hehl daraus, dass der Bericht von B. "nicht in die Blattlinie" passe. "Wir haben uns das Recht vorbehalten, dass das erscheint, was reingehört." Prechtl hält den Bericht für bedenklich, weil der Autor "in eigener Sache, in seinem Eigeninteresse" geschrieben und Justizmitarbeiter namentlich geoutet habe. Die Ausgabe werde erscheinen, jedoch ohne den Artikel von B..

Der Autor nennt die Entscheidung "repräsentativ für das System Strafvollzug. Es wird einfach verhindert". B. möchte weiter publizieren, doch das Journal steht auf der Kippe. Im Dezember entscheidet das Justizministerium, ob es eingestellt wird.

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