Polizist: "Is des Wiederbetätigung?"

Polizist: "Is des Wiederbetätigung?"
Ein Polizist steht wegen Amtsmissbrauch vor Gericht. Er soll eine Zeugin, die Hooligans wegen "Heil Hitler"-Rufen anzeigen wollte, ignoriert haben.

3. Juni 2011: Am Polizeinotruf schildert eine junge Frau, was sich soeben in dem ÖBB-Zug von Salzburg nach Wien zugetragen hat. Sie erzählt, wie deutsche Hooligans das Deutschland-Lied anstimmten, die Hand zum Hitlergruß hoben und dazu "Heil Hitler" riefen, und sie beschimpften und einschüchterten. Der Polizist am Notruf beorderte ein uniformiertes Empfangskomitee, zehn Mann hoch, zur Endstation – auf den Westbahnhof.

Der Verlauf der weiteren Amtshandlung hatte am Donnerstag am Landesgericht Wien ein juristisches Nachspiel. Polizist Christian St., 53, soll die 26-jährige Zeugin, die grüne Kommunalpolitikerin Negar Roubani, am Bahnsteig ignoriert, die Vorfälle bagatellisiert und auf eine Anzeige verzichtet haben. Die Fußballfans zogen unbehelligt davon. Der Vorwurf an den bereits strafversetzten Staatsdiener: Amtsmissbrauch.

Hintergrund: Ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz gilt als Offizialdelikt, muss also verfolgt werden.

Eine wesentliche Information blieb schon vorab auf dem Weg liegen: Gruppeninspektor St. und seine neun Kollegen bekamen den Einsatzbefehl, "randalierende Fans" am Bahnsteig abzupassen. Von Wiederbetätigung war darin keine Rede.

"Am Bohnhof woar es komplett ruhig, kane auffälligen Personen", sagte der Beamte. Die 26-jährige Zeugin habe ihm lediglich mitgeteilt, dass die Verdächtigen vorbeigezogen seien. Auf dem Bahnsteig seien hunderte Personen aus dem Zug gestiegen. Vor dem Schöffensenat gab er auch an, einen Grund für ein Einschreiten vermisst zu haben: "Is’ des Wiederbetätigung, wenn einer schreit ,Heil Hitler’? I hob des anders g’seng." Der Gruppeninspektor nahm keine Personalien auf, trug den Fall später in die Dienstdokumentation ein.

"Waren hinter uns"

Die 26-Jährige schildert die Begegnung am Bahnsteig anders: "Ich war fassungslos, dass der Polizist nicht reagiert hat." Sie habe ihn mehrmals angesprochen. Erst als ein anderer Fahrgast beim Beamten intervenierte, soll er sie wahrgenommen haben. "Ich hab’ gegen eine Wand geredet", erzählt die 26-Jährige. Die Zeugin will St. nochmals die Vorfälle geschildert und ihm die Verdächtigen gezeigt haben. "Die waren hinter uns."

Später fertigte sie ein Gedächtnisprotokoll an und machte den Fall medial publik.

Verteidiger Manfred Ainedter zitierte zwei Polizisten in den Zeugenstand. Beide haben das Gespräch "nur am Rande wahrgenommen", randalierende Fans gar nicht. Und: "Gestört fühlen sich immer einige." Ainedter: "Es war unmöglich, ihrer habhaft zu werden."

Für die Richterin ist der kontroversielle Fall zu heikel, um auf Zeugen verzichten zu können. Ein Beamter und ein Polizeischüler müssen noch aussagen. Fortsetzung: 22. März.

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