Wiener Polizist soll Ohrfeigen verteilt haben: Freispruch im Zweifel

Seit 40 Jahren ist der Polizist im Dienst, seit 13 Jahren versieht er seinen Dienst im Arrestanten-Bereich – also bei den Zellen der Polizeiinspektion. Gerichtlich fiel der Mann bisher nie auf. Doch am Dienstag sitzt der Polizist erstmals als Angeklagter vor dem Richter in Wien. Er soll einem Festgenommenen zwei Watschen gegeben haben. Juristisch nennt sich das: Missbrauch der Amtsgewalt.
Hände wie Maurerfäustel
Der Angeklagte ist eine durchaus imposante Erscheinung. „Seine Hände würde man als Maurerfäustel bezeichnen“, sagt auch sein Rechtsanwalt – und beteuert gleichzeitig die Unschuld seines Mandanten. „Wenn er Ohrfeigen verteilt hätte, hätte es den Mann vom Sessel runterg’haut.“
Der Zwischenfall soll sich im vergangenen September ereignet haben. Ein betrunkener Mann hatte randaliert und sich äußerst aggressiv verhalten. Allein um ihn auf den Boden zu bringen, seien vier Beamte nötig gewesen. Der Festgenommene wurde schließlich zu einer Polizeiinspektion in Wien-Josefstadt gebracht – und landete beim nun Angeklagten.
„Der Mann ist mir via Funk angekündigt worden. Ich wusste, dass wir einen äußerst aggressiven Festgenommenen bekommen“, erzählt der Beamte. Er habe den Mann „energisch aufgefordert“, seinen Kopf zu heben, um eine bereits vorhandene Verletzung am Kinn dokumentieren zu können. „Aber das hat er nicht gemacht, er hat auf den Boden geschaut.“ Er habe dem Sitzenden die Kappe umdrehen wollen – doch diese flog mit Schwung auf den Boden. Als er das Gesicht des Mannes nach oben schieben wollte, habe der Mann passiven Widerstand geleistet. „Er war widerspenstig.“ Also habe er ihm links und rechts auf die Wange gegriffen und den Kopf in die Höhe gehoben. „Vielleicht ist dadurch ein Klatschgeräusch entstanden.“
Schockiert
Genau dieses Geräusch nahmen zwei Polizistenkollegen wahr, die sich im selben Raum befanden. „Er war auffallend laut gegenüber dem Mann und hat ihm plötzlich zwei Ohrfeigen verpasst“, schildert ein Polizist. Gesehen habe er diese nicht, aber eben gehört. Der Festgenommene selbst sei ganz ruhig mit am Rücken gefesselten Armen gesessen. „Ich weiß nicht, warum das so ausgeartet ist. Ich hatte das Gefühl, nach der ersten Ohrfeige sind dem Mann die Tränen in die Augen gestiegen.“ Zwischen den „Klatschern“ seien mehrere Minuten Zeit vergangen. „Ich war schockiert, dass so etwas passiert ist.“ Der Polizist legte dazu auch einen Amtsvermerk an.
Auch ein zweiter Beamter, der mittlerweile den Polizeidienst an den Nagel gehängt hat, spricht von zwei Ohrfeigen. Allerdings „in kurzer Abfolge.“ Ein dritter Kollege hat zu dem Vorfall gar keine Wahrnehmungen. Der arretierte Mann selbst kann nicht befragt werden. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt.
Zwar wirken die Zeugen glaubhaft, doch im Detail bleiben Unschärfen. Beim Schöffengericht bleiben Zweifel. Somit: Freispruch im Zweifel; nicht rechtskräftig.
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