Pfarrer: "Jeder Christ ist vor Gott ein VIP"

Pfarrer: "Jeder Christ ist vor Gott ein VIP"
Entgegen der Gesetzeslage lässt ein Wiener Pfarrer Gläubige in seiner Kirche aufbahren.

Die Debatte um "a schene Leich", wie man in Wien sagt, ist um eine Facette reicher. Wie berichtet, kämpft die Bezirksrätin Erika Steindl – von der ÖVP unterstützt – vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) für die Aufhebung des Wiener Leichen- und Bestattungsgesetzes. Demnach dürfen Verstorbene bis zum Begräbnis nur in einer Bestattungsanlage der Wiener Friedhöfe und nicht bei einem privaten Bestattungsunternehmen oder in einer Kirche aufgebahrt werden. Die 69-jährige Erika Steindl aber will, dass sich ihre Kinder einst von ihr verabschieden können, wann und wo und wie lange sie wollen.

Für "ehrenhalber" veranstaltete Leichenbegängnisse von "Religionsdienern" oder hochgestellten Persönlichkeiten gibt es im Gesetz eine Ausnahme. Und genau diese macht sich der Pfarrer von Ober St. Veit, Andreas Kaiser, seit Jahren zunutze. Mitglieder seiner Pfarrgemeinde dürfen ihre Verstorbenen für die Verabschiedung und Einsegnung in "seiner" Kirche aufbahren. "Der Begriff des Prominenten ist dehnbar. Jeder Christ ist vor Gott ein VIP, und wenn jemand Gemeindemitglied ist, hat er Prominenz", sagt Pfarrer Kaiser im Gespräch mit dem KURIER.

Aus der Gemeinde

Die erforderliche Genehmigung beim Magistrat sei bisher nie ein Problem gewesen, sagt Kaiser, der eine ähnliche Praxis auch von vielen Amtskollegen in Wien kennt. Eine Art Aufbahrungs-Tourismus will er freilich nicht haben: "Die schene Leich, nur weil die Kirche so schön ist oder die Orgel schön klingt, soll es nicht sein. Voraussetzung ist, dass es jemand aus dem Pfarrgebiet ist, der von seiner Gemeinde verabschiedet wird, das ist die Grundidee." Am Land ist das heute noch üblich, "vor langer Zeit war das auch in Wien üblich", erinnert sich Kaiser.

Fünf bis sechs Mal im Jahr feiert der Pfarrer das Requiem mit einem Sarg in der Kirche, das kann alles zusammen zweieinhalb Stunden dauern. In den Leichenhallen der Wiener Friedhöfe ist diese Zeremonie meist auf eine halbe Stunde beschränkt, was Bezirksrätin Steindl ebenfalls sauer aufstößt. In der Mai-Session könnte der VfGH über die Klage entscheiden.

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