Sophie hat beneidenswert schöne Haare. Sie sind lang, dicht und lockig. Die Neunjährige hat trotzdem auf den Friseurbesuch am Donnerstag hingefiebert, damit sie ihren Zopf endlich abschneiden kann. Sie hat sogar wochenlang gewartet, damit die Haare lang genug für ihr Vorhaben sind.
Denn Sophie will ihre Haare spenden. An Kinder, die nicht so viel Glück haben wie sie. An Kinder mit Krebs, die wegen der Chemotherapie ihre eigenen Haare verloren haben oder an solche, die an anderen Krankheiten leiden. „Meine Haare wachsen ja wieder nach“, sagt sie. Schwimmen sei ihr Hobby, da sei eine Kurzhaarfrisur ohnehin praktisch.
Für Sophie ist das ein kleiner Schnitt, der für kranke Kinder die Welt bedeuten kann. Kriegen sie Perücken fließen oft Freudentränen.
Seit rund zehn Jahren stellt der gemeinnützige Verein Haarfee bedürftigen Kindern Echthaarperücken zur Verfügung – und das kostenlos (siehe Infobox). Die Idee stammt von Yochai Mevorah, der als Friseur überlegt hat, was man mit all dem Haar machen kann, das weggeschmissen wird. Rund 400 Perücken haben Kinder seit der Gründung bereits glücklich gemacht.
Sophie untersucht vor dem Abschneiden interessiert eine der Perücken. Sie hat selbst Familienmitglieder mit Krebs, daher die Idee. Wie ihre eigenen Haare als Perücke aussehen werden, wird sie aber nie sehen. Auch nicht, wer sie einmal tragen wird.
"Ich bin in Tränen ausgebrochen"
Zum einen, weil die Perücken in Deutschland produziert werden und nicht nachvollziehbar ist, wo welches Haar eingesetzt wird. Zum anderen, weil die kranken Kinder nicht wie „Zirkuspferde vorgeführt werden sollen“, sagt Claudia Attar vom Verein Haarfee. Wer sein Haar spendet, kann aber gewiss sein, dass er das Leben einer anderen Person einschneidend verändert.
„Wie ich meine erste Perücke bekommen habe, bin ich vor Glück in Tränen ausgebrochen“, erzählt Sarah dem KURIER. „Das war ein Wahnsinnsgefühl.“ Die heute 22-jährige Oberösterreicherin verlor mit 15 wegen kreisrundem Haarausfalls (Alopecia areata) innerhalb von nur anderthalb Monaten all ihre Haare. „Die Perücke hat mir ein Stück Lebensqualität zurückgegeben.“
Emotionale Entscheidung
Circa drei Zöpfe braucht man, um eine Perücke herstellen zu können, erklärt Attar. Sie trägt selbst eine Kurzhaarfrisur. Vor ein paar Monaten hat sie sich eine Glatze schneiden lassen, um auch ihre Haare zu spenden. „Ich habe davor gezittert, weil ich so nervös war.“ So gehe es vielen Spenderinnen, sagt sie, manchen sei davor regelrecht schlecht. Die Haare zu lassen, das ist nicht einfach, oft sehr emotional – selbst wenn man sich freiwillig dazu entscheidet.
Auch Sophie ist nervös. Sagt sie zumindest. Äußerlich merkt man der Neunjährigen die Aufregung nämlich kein bisschen an. „Unglaublich, wie cool sie ist“, sagt ihre Mutter Daria. „Wir wollen damit zeigen, dass man kein Geld haben muss, um zu spenden. Und auch Kinder können ganz einfach helfen.“ So fühle man sich in einer Welt, die von Krisen überschattet ist, nicht ganz so machtlos.
Nicht jedes Haar ist dazu geeignet, gespendet zu werden. Mindestens 40 Zentimeter muss man abschneiden können, denn „die meisten Kinder wollen Langhaar-Perücken“, erklärt Attar. Außerdem müssen die Haare gesund und naturbelassen sein, also nicht gefärbt. Wer die Kriterien nicht erfüllt (oder sich von seiner eigenen Mähne nicht trennen will oder kann), kann den Verein Haarfee aber auch mit Geldspenden unterstützen.
Haare
Die Haare kann man bei einem Friseur des Vertrauens schneiden lassen (Mindestlänge: 40 Zentimeter). Bitte verpacken Sie den geflochtenen Zopf umweltfreundlich in Papier und schicken Sie ihn an den Verein Haarfee, Lindengasse 32, 1070 Wien. In jedem Bundesland gibt es auch Partnersalons, die sich mit dem Prozedere auskennen . Infos: vereinhaarfee.at
Geld
Um bedürftigen Kindern Perücken schenken zu können, ist der Verein auf Spenden angewiesen. Infos auf der Website
Die Produktion einer Perücke kostet 500 Euro – und auch nur deswegen so wenig, weil viele freiwillige Helfer und Partner Zeit und Geld zur Verfügung stellen. Die Krankenkassa übernimmt einen Teil, aber nicht alles. Einzelne Privatspenden oder Unternehmen als langfristige Partner sind darum wichtig, damit die Haarfee weiter Wünsche erfüllen kann.
Sophie hat mittlerweile eine neue Frisur, der Zopf ist ab. „Das schaut cool aus“, ruft sie ganz begeistert beim ersten Blick in den Spiegel und dreht sich.
Schon bald wird hoffentlich ein anderes Kind genauso glücklich sein, wenn es die Perücke mit Sophies langen Locken tragen darf.
Sophie im Interview: "Ich bin sehr stolz auf mich"
Die Aufregung hat man der Neunjährigen beim Friseur kaum angemerkt. Der erste Programmpunkt mit der neuen Friseur: ein Gespräch mit dem KURIER.
KURIER: Wie bist du auf die Idee gekommen, deine Haare abzuschneiden und zu spenden? SOPHIE: Meine Mama und ich haben gelesen, dass Haare für Perücken für kranke Kinder gebraucht werden. Darum wollte ich das machen. Krebs ist sehr tragisch und ich will anderen Kindern ein Vorbild sein und zeigen, dass sie auch ihre Haare spenden können.
Ist dir die Entscheidung schwergefallen?
Nein, meine Haare wachsen ja wieder. Andere Kinder haben nicht so ein Glück.
Wann hast du beschlossen, dass du das machen willst?
Vor einem Monat oder noch länger. Ich habe sie noch wachsen lassen müssen, weil man eine bestimmte Länge braucht. (Eine Haarspende muss mindestens 40 Zentimeter lang sein, Anm.)
Ich habe gehört, dass du gerne schwimmst?
Ja und ich male gerne und gehe turnen. Beim Schwimmen sind die kurzen Haare auch gut. Die werden von ganz alleine wieder trocken, da mus sich gar nichts mehr machen.
Und im Sommer ist es auch gut, weil dir dann nicht so heiß ist.
Das stimmt.
Und wie fühlst du dich jetzt?
Ich bin sehr stolz auf mich.
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